Der Orden
arbeiteten, Spione, die Zwietracht und Gerüchte säten und Informationen über mögliche Bedrohungen beschafften.
Regina hatte den Wall mit der Zeit ins Herz geschlossen. Natürlich sah man ihm sein Alter an. Ein großer Teil dieser alten Befestigungsanlage war zerstört oder verlassen worden, denn heutzutage waren hier viel kleinere Einheiten stationiert. Und die Zeit hatte zwangsläufig verheerende Schäden an der gewaltigen Konstruktion angerichtet. Die Reparaturen waren zum Teil deutlich primitiver als die hervorragende Arbeit früherer Generationen – hier und dort war das alte Mauerwerk sogar mit Grassoden und Schutt geflickt worden. Aber bisher hatte man die Barbaren noch jedes Mal zurückgeschlagen, den Wall wieder besetzt und die durch Freund oder Feind verursachten Schäden behoben, und so würde es immer sein. Umschlossen von seinen massiven Steinen, hatte Regina sich in den fünf Jahren, seit Aetius sie hierher gebracht hatte, in zunehmendem Maße sicher gefühlt, geschützt von dem Wall und der Macht und Beständigkeit, die er repräsentierte.
Nichtsdestotrotz machte sie sich manchmal große Sorgen, was die Zukunft betraf. Vor allem seien jetzt weitaus weniger Soldaten in Britannien als früher, klagte Aetius: vielleicht zehntausend gegenüber fünfzigtausend vor dem katastrophalen imperialen Abenteuer des Constantius, der Britannien seines Heeres beraubt hatte. Vor zwei Tagen war nachts ein heller roter Lichtschein am Osthimmel zu sehen gewesen, und am Morgen war eine gewaltige Rauchwolke aus der Richtung der nächsten Festung im Osten, Cilurnium, gekommen. Man hatte Soldaten hingeschickt, die herausfinden sollten, was geschehen war, aber sie waren noch nicht zurück – und wenn doch, dann sagte Aetius es ihr nicht. Nun, sie konnte nichts dagegen tun.
Regina fröstelte und rieb sich die Arme, um sich aufzuwärmen. Der Wall mochte ein sicherer Ort sein, aber es war ungemütlich hier. Die Steinmassen hielten den ganzen Tag lang die Kälte. Nach fünf Jahren hatte Regina sich jedoch an das frische Klima gewöhnt und brauchte nicht mehr als ihre dicke Wolltunika, um sich warm zu halten. Und sie hatte gelernt, sich niemals über die Härten des hiesigen Lebens zu beklagen, das im Vergleich zum Leben in der Villa, an das sie sich noch immer lebhaft erinnerte, so bescheiden war. Sie wollte nicht noch einmal als verwöhnt bezeichnet werden, obwohl sie wusste, dass sie als Enkelin des Präfekten besondere Privilegien genoss.
»Ah«, sagte Magnus.
Sie kam zu ihm zurück. »Sag bloß, du hast endlich gezogen, großer General.«
»Nein. Aber dein Großvater ist herausgekommen.« Er zeigte hin.
Auf der Südseite des Walls hatte Aetius seine Kohorte aus der Festung geführt und ließ sie nun gerade Aufstellung nehmen. Aetius stand hoch aufgerichtet da, ein Beispiel für seine Soldaten. Regina wusste jedoch, wie viel Mühe ihn das kostete, denn mit seinen fünfundsechzig Jahren wurde er von einer schmerzhaften Arthritis geplagt.
Die Helme und Schilde der Soldaten glänzten in der Sonne, und die meisten von ihnen trugen die kalten und ausdruckslosen, bronzenen Parademasken, die ihr anfangs solche Angst eingejagt hatten. Ihre Reihen waren jedoch unordentlich und sehr lückenhaft, und Aetius fuchtelte verärgert mit den Armen und rief die Namen der Fehlenden: »Marinus! Paternus! Andoc! Mavilodo!…«
Regina wusste, wie wütend ihn ein solcher Mangel an Disziplin und Professionalität machte. Aetius hatte früher in den comitatenses-Truppen gedient, einer äußerst mobilen, gut ausgerüsteten Streitmacht. Nun war er auf einmal Präfekt einer Kohorte der Umitanei, des stehenden Grenzheeres, und alles war ganz anders. Diese Grenztruppen waren seit Generationen hier stationiert. Gegenwärtig wurden die meisten Soldaten sogar aus der einheimischen Bevölkerung rekrutiert. Aetius zufolge waren die limitanei-Truppen durch und durch träge geworden. Er schimpfte über den Verfall der Sitten, über ihre Gewohnheit, Schauspieler, Akrobaten und Huren in die Festung zu bringen, und über ihre Neigung, während des Wachdienstes zu trinken und sogar zu schlafen.
All das gab – gelinde gesagt – Anlass zur Sorge. Ohne vernünftige comitatenses im Land waren diese schlampigen Truppen das Einzige, was zwischen dem zivilisierten Britannien und den Barbaren stand. Und es war Aetius’ Aufgabe, sie zusammenzuhalten.
Aetius schaute auf eine Tontafel und rief einen Namen. Ein unglücklicher Soldat trat vor, ein stämmiger,
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