Der Orden
American bin ich gut vorwärts gekommen. Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Mit unseren Flussdiagrammen, Plänen und kritischen Pfaden glaubten wir, wir könnten alles erreichen, auf jeder Ebene, wenn wir nur hart genug arbeiteten. Warum auch nicht? So haben wir den Krieg gewonnen, und so haben wir das Apollo-Projekt zustande gebracht. Vierhunderttausend Menschen aus dem ganzen Land, die alle ihren winzigen Teil beitrugen – aber alle vom Zentrum kontrolliert, und all diese Ressourcen strömten herein, als baute man einen Berg aus Sandkörnern, einen riesigen Berg, auf dem man bis zum Mond klettern konnte.«
Er war eine echte Persönlichkeit, leidenschaftlich, engagiert, lebendig und handfest. In seinen Anekdoten erhaschte ich einen Blick auf ein rasch wachsendes, selbstsicheres und reiches Nachkriegsamerika, eine Zeit des technologischen Wachstums und der wirtschaftlichen Expansion – und mir gefiel der Gedanke, dass ein Verwandter von mir beim Fall von Rom dabei gewesen war und am Apollo-Projekt mitgearbeitet hatte. Aber ich genoss die Begegnung nicht. Neben ihm fühlte ich mich blass, klein, unsicher und vielleicht auch ein bisschen eingeschüchtert. Und jung.
Wir bogen von der Worth auf den Lake Drive South ein, der am Ufer des Lake Worth nach Norden führte. Hier verwandelte sich die Straße in einen Fahrradweg, und im Licht der tief stehenden Nachmittagssonne fuhren Leute Rad oder Skateboard und joggten.
»He, du kannst mir ein Popsicle spendieren.«
Wie sich herausstellte, meinte er ein Eis am Stiel; wir waren zu einem Eisstand gekommen. Ich blechte für zwei riesige, bunte Naschwerke, die so zuckrig waren, dass ich meines nicht aufessen konnte. Wir setzten uns auf eine Steinbank und schauten den Enten zu, die auf dem Lake Worth herumpaddelten. Im matten Westlicht wirkte Lous Gesicht wie eine Bronzeskulptur aus lauter Flächen und Furchen.
1943 hatte sich das Kriegsglück von den Italienern abgewendet. Mussolini wurde abgesetzt und verhaftet, und ein Waffenstillstand wurde unterzeichnet. Als die Alliierten bei Salerno landeten, erfuhren die Deutschen von dieser Abmachung. Bald darauf fiel Rom den Nazis in die Hände.
»Der Orden beteiligte sich auf stille Weise am Widerstand«, sagte Lou. »Das hat mir Maria Ludovica erzählt. Die Deutschen wollten alle jungen Männer zur Arbeit in Fabriken, auf Bauernhöfen, in Bergwerken oder an den Verteidigungslinien einberufen, die sie errichteten, um den Vormarsch der Alliierten aufzuhalten. Und die Stadt war voller geflohener Kriegsgefangener. Jede Menge Menschen, die sich verstecken wollten. Unserer Schätzung zufolge wurden damals in einer Stadt von rund anderthalb Millionen Einwohnern ungefähr zweihunderttausend Menschen in Wohnhäusern, Kirchen, ja sogar im Vatikan versteckt.«
»Und der Orden?«
»Der hat dort einen großen Komplex, groß und alt und tief. Obwohl ich ihn nie gesehen habe.« Tief?, dachte ich. »Ja, der Orden hat seinen Teil getan. Und das war nicht ungefährlich. Verwandte von uns, hm – ich schätze, wir sollten stolz sein.«
Bald darauf kamen die ersten Luftangriffe, obwohl Rom angeblich eine offene Stadt war. Sie zielten auf Eisenbahnlinien, trafen jedoch Zivilisten in Krankenhäusern und ähnlichen Zielen. »Gas und Strom sind gleichzeitig ausgefallen«, sagte Lou. »Die Römer haben die Bänke und Bäume in den Parks zerhackt, um sich Brennholz zu beschaffen. Der Orden hat Mahlzeiten verkauft, hundert pro Tag, für eine Lira pro Kopf.
Aber dann haben die Bürger die schweren Geschütze gehört.
Maria Ludovica ist auf die Lungotevere raus, um den Abzug der Deutschen mitzuerleben. Bewaffnet bis an die Zähne, aber mutlos und verdreckt. Niemand hat ein Wort gesagt. Gibt einem doch zu denken«, meinte er. »Eine römische Menschenmenge inmitten all dieser uralten Baudenkmäler, die wieder einmal den Rückzug einer Besatzungsarmee mit ansieht.«
»Und dann seid ihr gekommen.«
»Jawohl. Ich bin hinter den Panzern hergegangen, die durch die Porta San Giovanni nach Rom reingefahren sind. Am Abend haben alle eine kleine Kerze im Fenster angezündet. Es war – na ja – magisch.« Und er erzählte mir, wie er am 5. Juni 1944, am Tag vor dem D-Day, zusammen mit General Clark die Stufen von Michelangelos cordonata hinaufgestiegen war. »Nicht dass die Römer dankbar gewesen wären«, sagte er mit einem Grinsen um seinen Popsicle-Stiel herum.
Er beugte sich näher zu mir. »Maria hat mir nicht alles erzählt, über Mussolini.
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