Der Orkling (German Edition)
mit einer Wut und Wildheit kämpften, wie sie ihm noch nie zuvor untergekommen war. Vielleicht war ihre Zahl sogar noch gewaltiger. Wohin er auch sah, wogte ein Meer von behelmten Köpfen und erhobenen Waffen, das von einem Horizont bis zum anderen zu reichen schien. Es schien, als wäre die ganze Welt aufgestanden, um sich zu einer finalen Schlacht zu treffen.
Etwas prallte hart gegen seine Schläfe und ließ ihn nicht nur Sterne sehen, sondern riss ihn auch unsanft in die Wirklichkeit zurück. Er war im wahrsten Sinne des Wortes heimgekehrt, denn wo war ein Ork sonst zu Hause, wenn nicht auf dem Schlachtfeld, aber darüber konnte er sich später freuen. Jetzt hatte er Wichtigeres zu tun. Er musste den Zauberer wiederfinden, der ihm ungeschickterweise abhandengekommen war, und vor allem: Wo war Samuel?
Da das Schicksal offensichtlich der Meinung war, es ihm in letzter Zeit ein wenig zu leicht gemacht zu haben, beantwortete es beide Fragen auf einmal: Sowohl der Halbling als auch Frank lagen eine gute Zwergenwurfweite von ihm entfernt am Boden und rührten sich nicht; und sie lagen selbstverständlich in genau entgegengesetzten Richtungen. Frank lag auf dem Rücken und rührte sich nicht mehr – vielleicht war er ja tot – und würde gleich von einem ganzen Dutzend gepanzerter Elbenpferde in den Morast gestampft werden, und Samuel drohte in der anderen Richtung ein ganz ähnliches Schicksal, nur dass es ein gewaltiger Streitwagen mit gleich vier riesigen Orks war. Er musste sich entscheiden, wen er …
Moment mal.
Orks auf einem Streitwagen?
Groxmox riss ungläubig die Augen auf und starrte das so vollkommen unmögliche Bild an. Um ein Haar hätte sein fassungsloses Staunen den Halbling das Leben gekostet, denn als er sich endlich von dem unglaublichen Anblick erholt hatte, war es viel zu spät, um noch irgendetwas zu unternehmen.
Groxmox sprang trotzdem auf, raste los und warf sich mit einer verzweifelten Bewegung zwischen den reglos daliegenden Halbling und den heranrasenden Streitwagen.
Es war reiner Selbstmord, aber die schiere Angst um Samuel verlieh ihm überorkische Kräfte; vielleicht hatte er auch einfach nur Glück. Eines der Pferde erschreckte sich und kam aus dem Tritt, das andere reagierte noch panischer und stieg auf die Hinterläufe, oder versuchte es wenigstens. Unglückseligerweise (oder für Groxmox glücklicherweise) schob der völlig überladene Streitwagen von hinten noch immer mit vollem Tempo nach, und das Ergebnis dieses Aufeinanderprallens gegensätzlicher Bewegungskräfte war einigermaßen katastrophal. Oder auch perfekt, was Groxmox anging: Der Wagen wurde mit solcher Urgewalt abgebremst, dass die Deichsel zerbrach und eines der mit schartigen Klingen besetzten Räder abbrach und davonflog. Eines der Pferde wurde vom zersplitterten Ende der Deichsel aufgeschlitzt, brach mit einem schrillen Kreischen unmittelbar neben Samuel zusammen und überschüttete ihn mit einem Matsch aus dampfenden Eingeweiden, Blut und noch unappetitlicheren Dingen. Das andere riss sich los und jagte davon. Der Wagen selbst wurde in die Höhe katapultiert und flog, einen kompletten Salto schlagend und seine vierköpfige Besatzung in ebenso viele Richtungen davonschleudernd, direkt über Groxmox hinweg.
Groxmox war so perplex, dass er ihm einfach nur nachstarrte, bis er ein gutes Stück entfernt in das Schlachtengetümmel stürzte, dann aber war er mit einer einzigen Bewegung neben Samuel und auf den Knien. Er fegte glibberige Eingeweide und Blut beiseite und stellte den Halbling unsanft auf die Beine. Samuel öffnete die Augen, aber sein Blick blieb verschleiert. Groxmox bezweifelte, dass er allzu viel von dem mitbekam, was rings um ihn herum geschah. Er schüttelte ihn trotzdem noch einmal und fuhr ihn an: »Ist alles in Ordnung? Bist du verletzt?«
»Noch nicht«, nuschelte Samuel. »Aber du arbeitest dran.«
Gut, anscheinend war er immer noch der Alte. Groxmox atmete vorsichtig erleichtert auf, wollte eine weitere Frage stellen und stürzte dann schwer auf die Seite, als ihn ein gewaltiger Schlag traf. Roter Schmerz explodierte vor seinen Augen, und er schmeckte Blut. Dann packte ihn eine harte Hand und riss ihn auf die Beine. Ein schuppiges grünes Gesicht erschien inmitten der roten Nebel, die sein Bewusstsein verschlingen wollten, und eine gutturale Stimme bellte: »Biste bekloppt? Was machstn da?!«
Ohne eine Antwort abzuwarten, stieß der Ork Groxmox zu Boden, versetzte ihm einfach nur so noch
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