Der Osmanische Staat 1300-1922
(sprachwissenschaftlich) als auch osmanistisch (historischkulturwissenschaftlich) betätigt.
Die Anfänge.
Hofdolmetscher
in Wien
In Wien wurde schon 1541 der Posten eines „turkischen Tulmätschen" geschaffen. Sein erster Inhaber, HANS GAUDIER, genannt Spiegel, übersetzte eine
zeitgenössische Fassung der sogenannten altosmanischen Chroniken des Mollä
S;elebi (st. 1550) ins Deutsche: „Chronica oder Acta von der Türkischen Tyrannen
herkommen und geführten Kriegen, aus Türkischer Sprachen verdeutschet"
(Frankfurt am Main 1567). Noch vor Ende des 16. Jahrhundert wurden weitere
Versionen in deutscher und lateinischer Sprache, u. a. der sogenannte Codex
Verantü4s durch JOHANNES LEUNCLAVIUS (1541-1594), vorgelegt.
Grammatik
und Wörterbücher
I)em Franzosen GUILLAUME POSTEI, verdanken wir nicht nur die erste
Grammatik des klassischen Arabisch, sondern auch einen Abriß des Türkischen
(1575). Seine mehrfach aufgelegte Schrift „De la Republique des Turcs" (1560)
zeichnet ein Idealbild des zeitgenössischen Osmanen-Staats, den er aus zwei „tres
long deplacements" aus eigener Anschauung kannte. Das älteste im deutschen
Sprachraum erschienene osmanische Lehrbuch ist das Werk des Polvhistors
HIERONYMUS MEGISER (1612). Von überragender Bedeutung ist das zuerst zwischen 1680 und 1687 gedruckte türkisch-arabisch-persisch-lateinische Wörterbuch des Wiener Hofdolmetschen FRANZ VON MESGNIEN MENINSKI (1623-
1698). Dieser monumentale „Thesaurus Linguarum Orientalium Turcicae-Arabicae-Persicae" ist ein bis heute zu konsultierendes Hilfsmittel der Osmanistik. [ 1,
2: KREISER]
Sprachschulen
Paris, Berlin,
London
Nach dem Vorbild Venedigs, das schon 1551 eine Scuolo de Giovani di Lingua
für orientalische Sprachen in Istanbul eingerichtet hatte, gründete der französische
Minister Colbert auf Verlangen der Handelskammer von Marseille 1669 eine
Anstalt für die Ausbildung künftiger Dragomane. Die Blütezeit dieser Schule
liegt zwischen 1721 und 1762 [3: HITZEL]. Der vormalige Dolmetscher und
Geschäftsträger Schwedens in Istanbul, IGNACE MOURADGEA D'OHSSON, verfaßte die wichtigste, bis heute nicht ganz ausgeschöpfte Darstellung der religiösen und rechtlichen Grundlagen des „Empire Othoman" (1788-1824) bis
zum Erscheinen von HAMMERS Werk [4: BEYDILLII. Auch neuere Autoren [wie
288: GIBB U. BowEN] beziehen sich, mit einiger Berechtigung, auf dieses Hauptwerk. In Wien bestanden seit 1674 Türkischkurse an der Universität. 1754 nahm
die „K. k. Akademie der Orientalischen Sprachen" ihre Tätigkeit auf. Ihre Zöglinge sollten in der Geschichte der habsburgisch-osmanischen Beziehungen eine
wichtige Rolle spielten. Der Prominenteste unter ihnen, JOSEPH VON HAMMER (ab
1835 HAMMER-PURGSTALL, 1774-1856), gilt als der eigentliche Begründer der
wissenschaftlichen Osmanistik. Er verfaßte die monumentale „Geschichte des
Osmanischen Reiches, grossentheils aus bisher unbenützten Handschriften und
Archiven" [225] und leistete Bedeutendes für Grundwissenschaften, Literaturgeschichte und Topographie. Als Hofdolmetsch und in der Staatskanzlei
tätig, hatte er einen direkten Zugang zu „viertausend osmanischen Staats- und
Geschäftsschreiben, Diplomen und anderen Urkunden" im k.k. Hausarchiv. In
Paris wurde 1795 die „1?cole Nationale des Langues Orientales Vivantes" eröffnet, während es in Deutschland bis zum 1887 in Berlin gegründeten Seminar für
Orientalische Sprachen keine Spezialausbildung für das Osmanisch-Türkische
gab. Am S.O.S. waren die ersten „hauptamtlichen" Spezialisten für osmanische
Vergangenheit und Gegenwart tätig (Martin Hartmann, Friedrich Giese) bzw.
haben dort Türkisch-Diplome erworben (Theodor Menzel, Gotthard Jäschke).
Die School of Oriental Languages der Londoner Universität folgte mit großer
Verspätung nach dem Ersten Weltkrieg.
Altere Forschungsgeschichte
Die Beherrschung der drei Hauptsprachen des islamischen Orients (Arabisch,
Persisch, Türkisch) bildete die Voraussetzung für die Arbeit der gelehrten Verfasser von Katalogen osmanischer Handschriften (EDGAR BLOCHET, GUSTAV
FLÜGEL, JOSEPH AUMER, WILHEM PERTSCH, CHARLES RIED u. a.) und der Lexikographen (neben dem schon genannten MENINSKI v.a. ALEXANDRE HANDJERI,
JAMES REDHOUSE [5: FINDLEY], JULIUS ZENKER). In Deutschland zählte GEORG
JACOB (1862-1937), zunächst in Erlangen, dann in Kiel zu den wenigen Arabisten,
die sich stärker osmanischen Studien zuwandten. 1921
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