Der Pakt der Liebenden
Außerdem hatte er eine traute, aber zwanglose Beziehung zu einer Anwältin, einer gut erhaltenen Einundfünfzigjährigen. Jeder hatte seine eigene Bleibe, in der sie abwechselnd die Wochenenden verbrachten, auch wenn er sich manchmal etwas Festeres wünschte. Ihm wäre es lieber gewesen, wenn sie zu ihm gezogen wäre, aber er wusste, dass sie das nicht wollte. Sie schätzte ihre Unabhängigkeit. Zuerst hatte er gedacht, sie halte ihn auf Abstand, um festzustellen, wie ernst es ihm mit ihr war. Doch jetzt, nach drei Jahren, war ihm klargeworden, dass er auf Abstand gehalten wurde, weil sie genau das wollte, und wenn er sich mehr erhoffte, musste er sich woanders umsehen. Er war jedoch der Meinung, dass er dafür zu alt war und dankbar für das sein sollte, was er hatte. Er hatte das Gefühl, dass er ziemliches Glück gehabt hatte und einigermaßen zufrieden sein konnte.
Doch an solchen Abenden, wenn die Bruins spielten und die Bar voller Männer und Frauen war, die zu jung waren, um sich an ihn zu erinnern, oder alt genug, um noch zu wissen, wie belanglos seine Karriere gewesen war, bereute es Harbaruk ein bisschen, dass er diesen Lebensweg eingeschlagen hatte, und überspielte das dadurch, dass er noch lauter und großmäuliger wurde als gewöhnlich.
»Aber das sind Glücksfälle«, hatte er Emily Kindler erklärt, nachdem er mit ihr ein Einstellungsgespräch für einen Job als Bedienung geführt hatte. Genau genommen hatte sie kaum ein Wort sagen müssen. Sie musste lediglich zuhören, während er seine Lebensgeschichte erzählte, ab und zu nicken und je nach Stand der Dinge eine mitfühlende, interessierte, ärgerliche oder fröhliche Miene aufsetzen. Sie meinte, Typen wie ihn zu kennen: leutselig, schlauer, als er wirkte, aber ohne Illusionen, was seine Intelligenz anging, ein Typ, der davon träumte, sich an sie ranzumachen, es aber nie tun würde und schon beim bloßen Gedanken daran ein schlechtes Gewissen bekam. Er erzählte ihr von der Anwältin und erwähnte, dass er vor langer Zeit einmal verheiratet gewesen sei, aber es habe nicht geklappt. Wenn er überrascht war, wie viel er ihr anvertraute, so war sie es nicht. Sie hatte festgestellt, dass Männer ihr alles Mögliche erzählen wollten. Sie breiteten ihr Innenleben vor ihr aus, ohne dass sie wusste, warum.
»Konnte nie groß mit Frauen reden«, erklärte ihr Harbaruk, als sich das Gespräch dem Ende zuneigte. »Kommt Ihnen jetzt vielleicht nicht so vor, stimmt aber.«
Das Mädchen war ungewöhnlich, fand er. Sie sah so aus, als könnte es nicht schaden, wenn sie ein bisschen was zulegte, und ihre Arme waren so dünn, dass er höchstwahrscheinlich die dickste Stelle an ihrem Bizeps mit einer Hand umfassen konnte, aber sie war zweifellos hübsch, und was er auf den ersten Blick für Fragilität gehalten hatte, weshalb er sie beinahe nicht einstellen wollte, erwies sich als etwas viel Komplizierteres und schwer Erklärbares. Sie besaß eine gewisse Kraft. Vielleicht nicht körperlich, obwohl er allmählich glaubte, dass sie nicht so schwach war, wie sie wirkte, denn die Stärke eines Gegners hatte Ken Harbaruk schon immer gut einschätzen können, aber sie verfügte über eine innere Unbeugsamkeit. Harbaruk spürte, dass das Mädchen schwere Zeiten durchgemacht hatte, aber sie war nicht daran zerbrochen.
»Tja, mit mir haben Sie ganz gut geredet«, sagte sie.
Sie lächelte. Sie wollte den Job.
Harbaruk war klar, dass sie ihm etwas vormachte, und er schüttelte den Kopf, stellte aber fest, dass er leicht errötete. Er spürte, wie ihm die Hitze in die Wangen stieg.
»Schön, dass Sie das sagen«, erwiderte er. »Es ist einfach ein Jammer, dass man nicht alles im Leben mit einem Gespräch bei einem Glas Soda regeln kann.«
Er stand auf und streckte die Hand aus. Sie schlug ein.
»Sie scheinen mir eine Gute zu sein. Reden Sie mit Shelley da drüben. Sie ist die Chefin an der Bar. Sie wird Ihnen die Schichten zuteilen, dann sehen wir, wie Sie zurechtkommen.«
Sie dankte ihm. Und so wurde sie Bedienung in Ken Harbaruk’s Sports Bar & Restaurant – Hiesige Heimstatt der NHL, wie in großen, schwarz-weißen Lettern auf einem Schild über der Tür stand. Daneben schlug ein Neoneishockeyspieler einen Puck weg und riss jubelnd die Hände hoch. Der Eishockeyspieler war rot und weiß gekleidet, ein Verweis auf Kens polnische Abstammung. Er wurde immer gefragt, ob er mit Nick Harbaruk verwandt sei, der sechzehn Jahre lang, von 1961 bis 1977, in der NHL
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