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Der Pakt der Liebenden

Der Pakt der Liebenden

Titel: Der Pakt der Liebenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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nicht.«
    Ihr Gesicht lief rot an.
    »Raus mit dir. Dass du die Stadt verlassen hast, war das Beste, was du jemals getan hast.«
    Und zumindest das stimmte.

33
    Die Frau, die jetzt nur noch dem Namen nach Emily Kindler war, traf zwei Tage nach dem Mord an Jimmy Gallagher am Port ­Authority Bus Terminal ein. Nachdem sie die Bar verlassen hatte, war sie den ganzen Tag allein in ihrem Apartment geblieben, ohne auf das klingelnde Telefon zu achten oder an ihre Verabredung mit Chad zu denken, der nur noch eine flüchtige Erinnerung an ein anderes Leben war. Einmal klingelte es unten an der Tür, aber sie reagierte nicht darauf. Stattdessen rekonstruierte sie die Vergangenheit und dachte über den Mann nach, den sie in der Bar auf dem Fernsehbildschirm gesehen hatte, und sie wusste, dass sie auch ihren Geliebten finden würde, wenn sie ihn fand.
    Mit einem Schürhaken brannte sie sich sorgfältig ein Zeichen in ihre Haut. Sie wusste, an welcher Stelle sie zu Werke gehen musste, denn sie konnte das Muster regelrecht sehen, das sich unter ihrer Haut verbarg. Als sie fertig war, trug sie das alte Zeichen.
    Als die Zeit gekommen war, brach sie in die Großstadt auf.
    Am Busbahnhof musste sie sich fast eine Stunde lang umsehen, bevor sie angesprochen wurde. Als sie sich zum dritten Mal auf der Damentoilette frisch machte, kam eine junge Frau, die nicht viel älter war als sie, auf sie zu und fragte, ob sie zurechtkäme. Die Frau hieß Carole Coemer, aber jeder nannte sie Cassie. Sie war blond, hübsch und gepflegt und sah aus wie neunzehn, obwohl sie schon siebenundzwanzig war. Sie hatte den Auftrag, am Busbahnhof Ausschau nach weiblichen Neuankömmlingen zu halten, vor allem nach solchen, die einsam oder verloren wirkten, und sich mit ihnen anzufreunden. Sie erzählte ihnen, dass auch sie neu in der Stadt sei, und bot ihnen an, sie auf eine Tasse Kaffee oder etwas zu essen einzuladen. Cassie hatte immer einen Rucksack dabei, der allerdings voller Zeitungen war, auf denen zwei Jeans, etwas Unterwäsche und T-Shirts lagen, falls sie ihn öffnen musste, um die Obdachlosen und die Streunerinnen zu überzeugen.
    Wenn sie keine Unterkunft hatten oder in der Stadt von niemandem erwartet wurden, schlug Cassie ihnen vor, bei einem Freund von ihr zu übernachten und sich am nächsten Tag eine feste Bleibe zu suchen. Cassies Freund hieß Earle Yiu, und er hatte in der ganzen Stadt Apartments, aber seine hauptsächlich genutzte Wohnung befand sich an der Thirty-eighth Street, Ecke Ninth Avenue, und lag über einer schmuddeligen Bar namens Yellow Pearl, die ebenfalls Earle Yiu gehörte. Das war ein kleiner Scherz von Earle, da er japanische Vorfahren hatte und »Yellow Pearl« nicht so ganz weit von »Yellow Peril« entfernt war, der englischen Bezeichnung für »die gelbe Gefahr«. Earle verstand sich darauf, die Schwächen junger Frauen einzuschätzen, auch wenn er es nicht ganz so gut wie Cassie Coemer konnte, die, wie selbst Earle zugeben musste, eine erstklassige Bauernfängerin war.
    Deshalb brachte Cassie das Mädchen – oder die Mädchen, wenn der Tag besonders ergiebig war – zu Earle, worauf Earle sie begrüßte, Essen bringen ließ oder, wenn er in der Stimmung dazu war, manchmal selbst etwas für die Mädchen kochte. Für gewöhnlich war es etwas Einfaches, aber Leckeres, zum Beispiel Teriyaki mit Reis. Man bot ihnen Bier an und ein bisschen Gras, vielleicht auch etwas Stärkeres. Wenn Earle die Neue dann für geeignet und schutzlos genug hielt, erklärte er ihr, sie und Cassie könnten zwei, drei Tage in dem Apartment bleiben und die Sache ganz ruhig angehen lassen, denn er kenne jemanden, der möglicherweise Bedienungen suche. Am nächsten Tag verzog sich Cassie und ließ die Neue allein.
    Nach zwei Tagen änderte sich Earles Verhalten. Er kam frühmorgens oder spätnachts und weckte das Mädchen. Er verlangte Geld für seine Gastfreundschaft, und wenn das Mädchen nicht bezahlen konnte – und sie konnten nie genug bezahlen, um Earle zufriedenzustellen –, tat Earle den nächsten Schritt. Die meisten ­lan­deten auf dem Strich, sobald Earle und seine Freunde sie zugeritten hatten, falls das nötig war, was für gewöhnlich in einem von ­Earles anderen Apartments geschah. Besonders vielversprechende Kandidatinnen wurden weiterverkauft oder in Städte gebracht, in denen Frischfleisch rar war. Die Unglücklichsten verschwanden einfach vom Antlitz der Erde, denn Earle kannte Männer (und auch einige Frauen), die

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