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Der Pakt der Liebenden

Der Pakt der Liebenden

Titel: Der Pakt der Liebenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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Schnäpse anging. Das ließ sich leicht machen, denn sie waren mehr mit sich selbst beschäftigt als mit mir, auch wenn ich in ihrer Gesellschaft willkommen war. Einer von ihnen, ein ehemaliger Sergeant namens Griesdorf, fragte mich nach dem angeblichen Zusammenhang zwischen Mickey Wallaces Tod und dem Mord an Jimmy, und eine Zeitlang herrschte betretenes Schweigen, bis ein rotgesichtiger Cop mit gefärbten Haaren sagte: »Herrgott, Stevie, das ist weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort! Lass uns trinken, damit wir uns erinnern, und danach trinken wir, um zu vergessen.«
    Und der Moment ging vorüber.
    Ich entdeckte das Mädchen kurz nach fünf. Sie war schlank, hübsch und hatte lange schwarze Haare. Im schummrigen Licht im Donaghy’s wirkte sie jünger, als sie war, und der Barkeeper hätte sich vermutlich ihren Ausweis zeigen lassen müssen, wenn sie ein Bier bestellt hätte. Ich hatte sie schon auf dem Friedhof gesehen, wo sie an einem Grab unweit von Jimmys letzter Ruhestätte Blumen niedergelegt hatte. Und ich hatte sie wieder gesehen, als sie nach der Beerdigung die Tilden Avenue entlanggelaufen war, aber das machten auch viele andere Leute, und sie war mir eher wegen ihres Aussehens aufgefallen, als dass ich ihretwegen einen Verdacht hatte. Jetzt war sie hier im Donaghy’s, aß einen Salat, hatte ein Buch vor sich auf dem Tresen liegen und schaute in den Spiegel, so dass sie alles sehen konnte, was sich hinter ihr tat. Zwei-, dreimal meinte ich zu sehen, wie sie mir einen kurzen Blick zuwarf. Es hätte nichts bedeuten können, aber dann lächelte sie mir zu, als ich sie dabei ertappte, wie sie zu mir schaute. Es war eine Aufforderung oder wirkte zumindest so. Sie hatte sehr dunkle Augen.
    Griesdorf hatte sie ebenfalls entdeckt.
    »Das Mädchen steht auf dich, Charlie«, sagte er. »Nichts wie ran. Wir sind alte Männer. Wir müssen das Leben durch die Jungen nachempfinden. Wir passen auf deine Jacke auf. Verdammt, du musst da drin doch eingehen. Zieh sie aus, mein Sohn.«
    Ich stand auf und schwankte leicht. »Nein, mir reicht’s«, sagte ich. »Ich bin sowieso nicht mehr zu gebrauchen.« Ich schüttelte allen die Hand und legte fünfzig Dollar auf den Tisch. »Eine Runde vom Besten«, sagte ich, »auf meinen alten Herrn und auf Jimmy.«
    Es gab großes Gejohle, und als ich sie verließ, torkelte ich. Griesdorf streckte die Hand aus und wollte mir helfen.
    »Ist alles okay?«
    »Ich habe heute nicht viel gegessen«, sagte ich. »Blöd von mir. Meinen Sie, Sie könnten den Barkeeper bitten, mir ein Taxi zu rufen?«
    »Klar. Wo willst du hin?«
    »Nach Bay Ridge«, sagte ich. »Zur Hobart Street.«
    Griesdorf warf mir einen sonderbaren Blick zu. »Bist du dir sicher?«
    »Yeah, ich bin mir sicher.« Ich reichte ihm die fünfzig Dollar. »Bestellen Sie die Whiskeys, wenn Sie schon mal dort sind.«
    »Willst du einen für unterwegs?«
    »Nein, danke. Wenn ich noch einen trinke, lege ich mich hin.«
    Er nahm das Geld. Ich lehnte mich an eine Säule und schaute ihm hinterher. Ich sah, wie er den Barkeeper zu sich rief, und hörte sie ein paar Worte wechseln. Im Donaghy’s lief keine Musik, und die Feierabendgäste waren noch nicht eingetrudelt. Wenn ich hören könnte, was an der Bar gesagt wurde, dann konnte es auch jeder andere.
    Zehn Minuten später traf das Taxi ein. Inzwischen war das Mädchen weg.
    Das Taxi setzte mich vor meinem ehemaligen Haus ab. Der Taxifahrer schaute auf das flatternde Absperrband und fragte, ob er warten sollte. Er wirkte erleichtert, als ich verneinte.
    Das Haus wurde nicht bewacht. Unter normalen Umständen hätte mindestens ein Cop hier Dienst tun müssen, um den Tatort zu sichern, aber das hier waren keine normalen Umstände.
    Ich lief zur Seite des Hauses. Das Tor zum hinteren Garten war provisorisch mit einer Kette und Klebeband gesichert, aber an der Kette hing kein Schloss – sie war nur der Form halber da. Die Küchentür hingegen war mit einem neuen Schloss und einem Riegel versehen, aber es dauerte nur einen Moment, bis ich sie mit einer kleinen elektrischen Kralle, die Angel mir mitgegeben hatte, geöffnet hatte. An dem ruhigen Spätabend klang es sehr laut, und als ich das Haus betrat, sah ich, dass irgendwo in der Nähe das Licht anging. Ich schloss die Tür und wartete, bis das Licht gelöscht und die Dunkelheit tiefer wurde.
    Ich schaltete mein kleines Maglite ein, dessen Strahl mit Klebeband gedämpft war, so dass er kaum auffallen würde, wenn jemand

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