Der Pakt der Liebenden
von der Arbeit nach Hause gekommen, hatte sich sofort in seinen Unterschlupf im Keller verzogen, kaum innegehalten, um seine Eltern zu begrüßen, und war nur herausgekommen, um den Kühlschrank zu plündern oder an einer unbehaglichen Mahlzeit am Küchentisch teilzunehmen. Manchmal hatte er auf der Couch statt im angrenzenden Schlafzimmer übernachtet und sich nicht einmal die Mühe gemacht, sich auszuziehen. Erst nachdem ein paar seiner Freunde vorbeigekommen waren und ihn überredet hatten, mit ihnen auszugehen, rissen die Wolken über seinem Kopf eine Zeit lang auf, und auch nur, solange er dem Mädchen aus dem Weg ging.
Als seine Leiche entdeckt wurde, war Daniels erster Gedanke gewesen, dass er sich aus törichter Liebe zu Emily umgebracht hatte. Schließlich schien ihn nichts anderes zu bekümmern. Er sparte fürs College, hatte allem Anschein nach fest vor weiterzustudieren und deutete sogar an, dass Emily möglicherweise mitkommen werde und sich einen Job in der Stadt besorgen wollte. Er war sowohl bei seinen hiesigen als auch bei den dortigen Freunden beliebt und von Haus aus eher optimistisch, beziehungsweise war es bis zum Ende der Beziehung gewesen.
Emily hätte bei meinem Sohn bleiben sollen, dachte Daniel. Er war ein prima Junge. Sie hätte ihm nicht das Herz brechen sollen. Als sie an der Todesstätte aufgetaucht war, gerade als die Leiche über die Felder zu dem wartenden Krankenwagen getragen wurde, hatte Daniel nicht mit ihr sprechen können. Sie war mit glitzernden Augen auf ihn zugekommen, die Arme ausgebreitet, um ihn zu halten und ihrerseits gehalten zu werden, aber er hatte sich von ihr abgewandt, eine Hand nach hinten gestreckt und erhoben, eine Geste, die alle verstanden, die sie gesehen hatten, und auf diese Weise hatte er ihr klargemacht, dass sie seiner Meinung nach am Tod seines Sohnes schuld war.
Und deshalb hatte Bobbys Mutter bei der Nachricht, dass andere ihrem Sohn das Leben genommen hatten, vor Kummer und Schmerz geweint, aus Verständnislosigkeit über die Art und Weise, wie ihr Sohn zu Tode gekommen war, während sein Vater das Gefühl hatte, als wäre ihm eine Last von der Schulter genommen, und sich über seine eigene Selbstsucht wunderte. Jetzt, im Keller, kehrte die Wut zurück, und er ballte die Fäuste und tobte wider das gesichtslose Ding, das seinen Sohn getötet hatte. Irgendwo über ihm ging die Türklingel, aber in seinem Kopf toste es so laut, dass er sie kaum hörte. Dann wurde sein Name gerufen, und er löste sich aus der Anspannung, die seinen ganzen Körper erfasst hatte, und atmete rasselnd aus.
»Mein Junge«, sagte er leise. »Mein armer Junge.«
Emily Kindler saß am Küchentisch. Hinter ihr kochte seine Frau Tee.
»Mr. Faraday«, sagte Emily.
Er stellte fest, dass er sie anlächeln konnte. Es war ein schmales Lächeln, aber immerhin freundlich. Er gab ihr nicht mehr die geringste Schuld an dem, was geschehen war, sie kam ihm jetzt eher wie ein Bindeglied zu seinem Sohn vor, jemand, mit dem er seine Erinnerungen auffrischen konnte.
»Emily«, sagte er. »Wie geht es Ihnen?«
»Ganz okay, glaube ich.« Sie konnte ihm nicht ins Gesicht schauen. Er wusste, dass sie zutiefst verletzt war, weil er sie abgewiesen hatte, aber auch wenn er sie von aller Schuld freigesprochen hatte, musste sie es bei ihm erst noch tun. Sie hatten seit diesem Tag nicht mehr darüber gesprochen, was vorgefallen war, daher hatte er bei ihr noch keine Abbitte leisten können.
Seine Frau kam herüber, berührte mit dem Handteller zärtlich die Haare des Mädchens und strich ein paar lose Strähnen zurecht. Daniel fand, dass sie sich ein bisschen ähnlich sahen: Beide waren blass und ungeschminkt, und sie hatten vor Kummer dunkle Ringe unter den Augen.
»Ich wollte Ihnen sagen, dass ich nach der Beerdigung abreise.«
Er rang um Worte.
»Hören Sie, meine Liebe«, sagte er. »Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen.« Er griff nach ihrer Hand, und sie überließ sie ihm. »An diesem Tag, dem Tag, an dem man Bobby gefunden hat, war ich nicht ganz bei mir. Ich war so betroffen, so schockiert, dass ich nicht … dass ich nicht …«
Ihm fehlten die richtigen Worte. Er wollte sie nicht anlügen, wollte ihr aber auch nicht die Wahrheit sagen.
»Ich weiß, warum Sie mich nicht anschauen konnten«, sagte sie. »Sie dachten, es wäre meine Schuld. Vielleicht ist es noch immer so.«
Er spürte, wie sein Kinn bebte und seine Augen brannten. Er wollte in ihrem Beisein nicht weinen. Er
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