Der Pakt der Liebenden
gegangen, und es hatte Trennungen und Traumata gegeben, aber in die schlanke junge Frau mit den dunklen Haaren und den hellgrünen Augen war er regelrecht vernarrt gewesen. Sie war ein paar Jahre älter als Bobby und hatte etwas Besonderes, das ließ sich nicht leugnen. Es hatte Konkurrenten gegeben, aber sie hatte sich für ihn entschieden. Sein Sohn wusste das. Sie war die Stärkere gewesen, und er hatte stets gegen diese Unausgewogenheit gekämpft, die dadurch in der Beziehung entstand.
Daniel glaubte wie die meisten Väter, dass sein Sohn der beste junge Mann in der Stadt war, vielleicht sogar der beste junge Mann, den er jemals kennen gelernt hatte. Er verdiente nur das Beste im Leben: die einträglichsten Jobs, die schönsten Frauen, die liebevollsten Kinder. Dass Bobby diese Ansicht nicht geteilt hatte, war eine seiner besten und schlimmsten Eigenschaften – bewundernswert wegen ihrer natürlichen Bescheidenheit, doch gleichzeitig entmutigend wegen der Art und Weise, wie sie seinen Ehrgeiz dämpfte und ihn an sich zweifeln ließ. Daniel glaubte, dass das Mädchen schlau genug war, um diese Ungleichheit auszunutzen, aber andererseits galt das für alle Vertreterinnen ihres Geschlechts. Daniel Faraday war immer argwöhnisch gewesen, was Frauen anging. Er bewunderte sie, wurde zu ihnen hingezogen (in Wahrheit stärker, als seine Frau wusste oder zu wissen vorgab, denn er war im Laufe ihrer Ehe mehr als einmal den Verlockungen anderer erlegen), aber er hatte sie nie auch nur annähernd verstanden, und indem er sich auf gelegentliche Eroberungen einließ und sie dann wieder wegwarf, konnte er diesen Mangel an Verständnis durch eine gewisse Verachtung ausgleichen. Er hatte gesehen, wie dieses Mädchen seinen Sohn manipulierte, ihn hierhin und dorthin lenkte, als hinge er an einem seidenen Faden, mit dem sie ihn näher zu sich ziehen oder auf Abstand halten konnte, je nachdem, wie es ihr beliebte. Bobby wusste, was geschah, doch er war so hingerissen, dass er es nicht über sich brachte, die Verbindung aufzulösen. Sein Vater und seine Mutter hatten mehr als einmal bei einer Flasche Wein darüber gesprochen, waren aber unterschiedlicher Meinung gewesen, was die Deutung dieser Beziehung anging. Daniels Frau hatte zwar bestätigt, dass das Mädchen schlau war, hatte aber das Gefühl, dass an ihrem Verhalten nichts Ungewöhnliches war. Sie machte lediglich das, was alle jungen Mädchen machten, oder jedenfalls diejenigen, die um das Gleichgewicht der Kräfte zwischen den Geschlechtern wussten. Der Junge wollte sie haben, aber sobald sie sich ihm bedingungslos hingab, verlor sie die Kontrolle über diese Beziehung. Folglich zwang sie ihn, seine Treue zu beweisen, bevor sie sich völlig unterwarf.
Daniel hatte einräumen müssen, dass seine Frau recht hatte, aber er mochte nicht mit ansehen, wie sein Sohn zum Narren gehalten wurde. Bobby war vergleichsweise naiv und unerfahren, auch wenn er schon fast zweiundzwanzig war. Bislang hatte ihm noch niemand wirklich das Herz gebrochen. Dann hatte das Mädchen die Beziehung beendet, nachdem Bobby in den Ferien vom College gekommen war, und diese Erfahrung war ihm aufgezwungen worden. Es hatte keine Vorwarnung gegeben, keinerlei Erklärung, abgesehen davon, dass sie glaubte, Bobby wäre nicht der richtige Mann für sie. Sein Sohn war tief getroffen gewesen, so sehr, dass er körperliche Schmerzen bekommen hatte, wie er gesagt hatte – Bauchschmerzen, die nicht vergehen wollten.
Außerdem hatte ihn die Trennung in eine Depression gestürzt, die dadurch noch verschlimmert wurde, dass dies eine kleine Stadt war – es gab nicht so viele Möglichkeiten, wo man etwas trinken, essen, sich einen Film ansehen oder die Zeit vertreiben konnte. Das Mädchen arbeitete hinter der Bar von Dean’s Place, und im Dean’s hatten sich die jungen Leute der Stadt – und auch viele ältere – seit Generationen getroffen. Wenn sich Bobby unter Leute begeben wollte, konnte er das Dean’s nur eine gewisse Zeit lang meiden. Daniel wusste, dass sich die beiden jungen Leute nach der Trennung im Dean’s begegnet waren. Selbst dabei hatte das Mädchen die Oberhand behalten. Sein Sohn hatte getrunken, sie nicht. Nach einem besonders lautstarken Wortwechsel hatte der alte Dean, der wie ein gütiger Diktator über die Bar herrschte, Bobby höchstpersönlich davor warnen müssen, sich mit dem Personal anzulegen. Danach hatte sich Bobby eine Woche lang vom Dean’s ferngehalten, war jeden Abend
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