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Der Pakt der Liebenden

Der Pakt der Liebenden

Titel: Der Pakt der Liebenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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schüttelte den Kopf.
    »Tut mir leid«, sagte er. »Ich entschuldige mich dafür, dass ich so etwas auch nur gedacht habe.«
    Jetzt griff sie zögernd nach seiner Hand, während seine Frau drei Tassen auf den Tisch stellte und aus einer alten Porzellankanne Tee eingoss. »Danke.«
    »Chief Dashut war vorhin hier«, fuhr er fort. »Er hat gesagt, dass Bobby sich nicht das Leben genommen hat. Er wurde ermordet. Er hat uns gebeten, es vorerst für uns zu behalten. Wir haben es niemandem erzählt, aber Sie, Sie sollten es wissen.«
    Das Mädchen gab ein leises Wimmern von sich. Alles Blut wich aus ihrem Gesicht.
    »Was?«
    »Die Verletzungen passen nicht zu einem Selbstmord.« Er weinte jetzt. »Bobby wurde umgebracht. Jemand hat ihn gewürgt, bis er bewusstlos wurde, dann wurde die Schlinge zugezogen, bis er tot war. Wer tut denn so etwas? Wer hat meinem Sohn so etwas angetan?«
    Er versuchte sie festzuhalten, aber ihre Hand entglitt ihm. Sie stand auf, wankte auf ihren flachen Absätzen.
    »Nein«, sagte sie. Sie drehte sich jählings um, wobei sie mit der rechten Hand die nächste Tasse streifte und sie zu Boden warf, wo sie auf den Fliesen zerbrach. »Ich muss gehen«, sagte sie. »Ich kann nicht länger hierbleiben.«
    Und in ihrer Stimme schwang etwas mit, das Daniels Tränen versiegen ließ.
    »Was meinen Sie damit?«
    »Ich kann einfach nicht bleiben. Ich muss weg.«
    Ihr Blick wirkte versonnen. Daniel sah es.
    »Was wissen Sie?«, sagte er. »Was wissen Sie über den Tod meines Sohnes?«
    Er hörte, wie seine Frau etwas sagte, aber er verstand kein Wort. Seine ganze Konzentration galt dem Mädchen. Sie hatte die Augen jetzt weit aufgerissen. Sie starrten auf das Fenster hinter ihm, wo sich ihr Gesicht im Glas spiegelte. Sie wirkte verwirrt, so als entspräche das Bild, das sie dort sah, nicht dem, was sie erwartet hatte.
    »Erzählen Sie’s mir«, sagte er. »Bitte.«
    Eine Zeitlang sagte sie kein Wort. Dann ganz leise: »Ich bin daran schuld.«
    »Was? Inwiefern?«
    »Ich bringe Unglück. Ich habe es an mir. Es verfolgt mich.«
    Sie schaute ihn zum ersten Mal an, und er erschauderte. Noch nie hatte er bei einem anderen Menschen einen derart trostlosen Blick gesehen, nicht einmal in den Augen seiner Frau, als er ihr mitgeteilt hatte, dass ihr Sohn tot war, nicht einmal bei sich selbst, als er in den Spiegel geschaut hatte und den Vater eines toten Kindes sah.
    »Was verfolgt Sie?«
    Sie vergoss die ersten Tränen. Sie sprach weiter, aber er hatte das Gefühl, als sei es für sie völlig unwesentlich, wo sie sich befand. Sie redete mit jemand anders, vielleicht mit sich selbst.
    »Irgendetwas stellt mir nach«, sagte sie, » irgendjemand stellt mir nach, folgt mir auf Schritt und Tritt. Es lässt mir keinen Frieden. Es lässt mich nicht in Ruhe. Es tut den Menschen weh, aus denen ich mir etwas mache. Ich bringe es über sie. Ich will es nicht, aber ich mache es.«
    Langsam ging er auf sie zu. »Emmy«, sagte er und benutzte den Kosenamen seines Sohnes für sie, »das ist doch Unsinn. Wer ist diese Person?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie mit gesenktem Kopf. »Ich weiß es nicht.«
    Er wollte sie schütteln, die Antwort aus ihr herausprügeln. Er wusste nicht, ob sie von einer lebenden Person sprach oder von einem eingebildeten Schatten, einem Geist, heraufbeschworen, um ihre eigenen Qualen zu erklären. Ein unbekanntes Wesen hatte seinen Sohn umgebracht. Und jetzt redete seine Exfreundin davon, dass sie von jemandem verfolgt wurde. Er brauchte eine Erklärung.
    Sie schien zu spüren, was er dachte, denn als er Anstalten machte, ihr an die Schulter zu fassen, entzog sie sich ihm.
    »Rühren Sie mich nicht an!« Sie stieß die Worte so heftig aus, dass er zurückwich.
    »Emily, Sie müssen das erklären. Sie müssen der Polizei das Gleiche erzählen, was Sie uns erzählt haben.«
    Sie lachte beinahe. »Was soll ich ihnen denn erzählen? Dass ich verfolgt werde?« Sie war jetzt fast in der Diele, ging rückwärts auf die Tür zu. »Was mit Bobby geschehen ist, tut mir leid, aber ich werde nicht mehr hierbleiben. Es hat mich gefunden. Es wird Zeit, dass ich weiterziehe.«
    Ihre Hand fand den Türgriff und drückte ihn herunter. Daniel spürte, dass es draußen bald schneien würde. Diese seltsame Wärmeperiode ging zu Ende. Bald würden sie sich durch Verwehungen kämpfen müssen, und das Grab seines Sohnes würde inmitten des Weiß dunkel wie eine Wunde klaffen, wenn man ihn in die Erde abließ.
    Er setzte

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