Der Pakt der Wächter: Roman
hast, ja nicht einmal andeuten, davon gehört zu haben! Kannst du mir das versprechen, Arnbjørn, im Namen unseres Herrn?«
Der Priester zögerte einen Augenblick – vermutlich dachte er an die Aussichten, sein Augenlicht zu verlieren -, ehe er antwortete: »Natürlich.«
»Ich vertraue dir, mein Freund. Friede sei mit dir, Priester Arnbjørn.«
Mit diesen Worten verließ er den Geistlichen und lief hinaus in die Nacht. Die Dunkelheit legte sich eisig auf seine Haut. Er hörte das Klirren der Waffen und Rüstungen von Gissurs Männern, die den Hof durchsuchten, das Wiehern und Stampfen der Pferde, das Gebell der Hunde und die wütenden Rufe der Knechte und Mägde. Hinter einem Geräteschuppen öffnete er eine Klappe, die zu einem Kellergang führte. In vollkommener Finsternis lief er vornübergebeugt weiter, wobei er sich mit beiden Händen an den engen, steinernen Wänden vorwärtstastete. Nach zehn, zwölf Metern stieß er gegen eine Holztür. Er tastete nach dem Schlüsselbund, schloss die Tür auf und trat in eine Kammer, in der es nach Korn und Schimmel und gegorenem Met roch. Er presste sich zwischen zwei Korntonnen, die an der Wand standen. Sie werden nicht eher aufgeben, bis sie mich gefunden haben, dachte er.
Als sie ihn fanden, traten sie die Tonnen grölend und jubelnd zur Seite und zerrten ihn aus seinem Versteck. Im Schein der Fackeln wurde er gewahr, dass sie zu fünft waren. Er erkannte Arni Beiskr und Simon Knute. Gissur war nicht unter ihnen. Der Verräter.
Hinter ihnen tauchte plötzlich Arnbjørn aus dem dunklen Tunnel auf. »Mein Herr«, rief der Priester mit angsterfüllter Stimme. »Sie haben versprochen, Gnade walten zu lassen.«
»Es ist alles gut«, sagte er so leise, dass der Priester ihn kaum hören konnte.
»Schweig still, Priester!«, rief Simon Knute.
»Gissur hat versprochen, dein Leben zu verschonen!«, beteuerte Arnbjørn. »Er sagte, es könne keine Versöhnung geben, wenn er dich nicht zu Gesicht bekäme …« Die Worte erstarben auf seinen Lippen, als er erkannte, dass er in eine Falle gelockt worden war und seinen Häuptling verraten hatte.
Einer der Männer lachte.
»Wo sind die Pergamente?«, rief Simon Knute.
»Wo hast du sie versteckt?«, brüllte Arni Beiskr.
Wofür hielten sie ihn?
Simon Knute presste sein Gesicht dicht vor das seine. »Alter Mann, du weißt, dass wir sie finden werden! Und wenn wir dafür deinen ganzen Hof auseinandernehmen müssen. Balken für Balken!«
So ging es weiter. Schließlich verloren sie die Geduld.
»Schlag ihn tot!«, sagte Simon Knute zu Arni Beiskr.
Die Männer starrten ihn an.
»Sprich!«, schrie Arni Beiskr.
Alles, was er fühlte, war tiefe Ruhe. Die Erkenntnis, dass sein Leben vorüber war. Ein ereignisreiches Leben, das konnte er nicht leugnen. Ein Leben, wie er es in seinen Sagen geschildert hatte.
»Hier wird nicht geschlagen«, sagte er mit fester Stimme. Eigi skal höggva .
»Schlag ihn tot!«, wiederholte Simon Knute.
Er hatte keine Angst. Aber er wollte in Ehre sterben. Nicht mit einem von Axt- und Schwerthieben verunstalteten Gesicht. Ein Gnadenstoß direkt ins Herz wäre ehrenvoller.
»Hier wird nicht geschlagen«, wiederholte er bestimmt und schaute seinen Mördern in die Augen.
Arni Beiskr schlug als Erster zu. Er traf eine Pulsader. Das Blut pumpte mit gewaltiger Kraft heraus. Noch ist Leben in mir, dachte er. Er ging zu Boden. Dann schlugen sie von allen Seiten auf ihn ein. Aus dem Tunnel hörte er das Gejammer von Arnbjørn. Wenn er nur sein Versprechen hält und die Pergamente Thordur kakali bringt, dachte er.
Und so – umgeben von Feinden und in seinem eigenen Blut liegend – wich das Leben aus Snorri Sturluson.
RUNENSTEIN MIÉRCOLESPALAST 1503 N. CHR.
Tord ritzte diese Runen in einem Reich fern der Väter Land
Über sturmgepeitschte Meere und fremde Gebirge
Durch Wälder und über hohe Gipfel
Brachten wir das Heiligtum
Das zu bewachen wir geboren sind
VATIKAN 1503 N. CHR.
Papst Julius II. starrte entgeistert den neu ernannten Kardinalbischof Giuliano Castagna an. »Wiederholt das bitte noch einmal«, bat der Papst. »Wo soll sich das Papyrusdokument befinden?«
»Heiliger Vater, ich weiß, dass es sich höchst unglaubwürdig anhört, aber der Sendbote Königin Isabellas überbrachte erst heute Morgen diesen Brief. Wie Euer Gnaden selbst sehen, ist das Siegel authentisch.«
Der Papst nahm das zusammengerollte Papier mit dem aufgebrochenen Siegel an sich und las es
Weitere Kostenlose Bücher