Der Pakt der Wächter: Roman
kopfschüttelnd. Nachdem er zum Ende gekommen war, gab er den Brief dem Kardinalbischof zurück. »Und es handelt sich wirklich um die Papyrusoriginale der Heiligen Schriften , von denen wir eine koptische Übersetzung haben?«
Kardinalbischof Castagna nickte.
»Der gleiche Papyrus, den Euer Vorgänger Secundus vor mehr als vierhundert Jahren aufzuspüren versuchte?«, fragte der Papst.
»Wirklich unglaublich.«
»Wie sind die Texte dorthin gekommen?«
»Auch diese Geschichte«, sagte der Kardinalbischof, »ist unglaublich.«
Der Papst blickte an den Sternenhimmel in der Wölbung der Sixtinischen Kapelle empor. »Wir sollten wirklich etwas an dem Dach machen lassen«, murmelte er und richtete seinen Blick widerstrebend noch einmal auf den Kardinalbischof: »Wenn das bekannt wird, wäre es eine Katastrophe! Für die Kirche! Den Vatikan! Die Welt!«
»Darf ich Euer Gnaden eine recht gewagte Lösung des Problems vorschlagen?«
Erster Teil
Das Pergament
… sie erschlugen drei Priester und brannten drei Kirchen nieder, danach segelten sie heim.
SNORRI
Ein Tempelritter ist ein furchtloser Ritter, weil seine Seele von einer Rüstung des Glaubens geschützt wird.
BERNARD VON CLAIRVAUX
Wahr ist, was in Runen gesagt wird.
HÅVÅMAL
Der Priestermord
ISLAND IM JAHR 2007
1
Sira Magnus ist tot. Er liegt mit dem Gesicht nach unten da, als hätte er die Luft angehalten, um sich etwas auf dem Grund des Badebeckens anzusehen. Das schulterlange Haar formt einen grauen Glorienschein. Die kreideweißen Hände dümpeln in dem gekräuselten Wasser.
»Magnus?«
Meine Stimme klingt dünn und kläglich.
Die Kleider wiegen um seinen Körper wie der Seetang an der Küste. Auf dem Grund des Bades blinken die Münzen, die die Touristen hineingeworfen haben.
Ich rufe noch einmal seinen Namen. Irgendwo krächzt ein Rabe.
Ich bin unfähig, mich zu rühren. Vielleicht will ich so das Unumgängliche hinauszögern – ihn aus dem warmen Quellwasser zu ziehen und mich seinem leblosen Blick zu stellen.
Der Sturz kann kein Unfall gewesen sein. Das Badebecken ist nicht sonderlich tief. Er hätte sich nur aufzurichten brauchen.
Jemand hat ihn umgebracht, hat Sira Magnus ertränkt.
Ich gehe in die Hocke, umfasse seine Fußknöchel und ziehe ihn aus dem leicht schwefelig riechenden Wasser. Er ist schwer. Seine Kleider haben sich vollgesogen. Als ich ihn auf die Seite drehe, rinnt Wasser aus seinem Mund. Ich suche nach einem Puls, der längst zu schlagen aufgehört hat. Sein Gesicht ist rot und aufgedunsen. Er hat seine Brille verloren. Die Augen sind weit aufgerissen, der Blick ist leer.
»Ach, Magnus«, flüstere ich, »was haben sie nur mit dir gemacht?« Aber vielleicht sage ich das auch nur in Gedanken. Ich halte seine Hand. Zittere. Aus seinem Bart tropft Wasser. Die nassen Kleider kleben an dem fülligen Körper.
Das runde Badebecken ist von wackeligen Steinplatten eingerahmt. Aus den Fugen sprießen ein paar widerspenstige Pflanzen. Ein Windstoß pfeift über die Heide.
Ich lasse seine Hand los und rufe die 112 an.
2
Während ich auf die Ankunft der Polizei warte, laufe ich zum Pfarrhaus hinüber, um nachzusehen, ob die Handschrift noch da ist.
Die Tür steht offen. Ich laufe durch den Flur in die gute Stube und von dort weiter ins Arbeitszimmer. Dort haben wir noch am Abend zuvor gesessen und das brüchige Pergament studiert. Codex Snorri . Eine merkwürdige Sammlung von Codes, Texten, Karten und okkulten Symbolen. Es war beinahe zwei Uhr, als wir uns zur Nacht verabschiedeten. Ich sehe noch vor mir, wie sorgsam er die Handschrift wieder einpackte und in das untere, geheime Schubfach in der Truhe einschloss. Der Schlüssel hing mit vielen anderen an einem Ring, den er an einer Gürtelschnalle seiner Hose befestigte hatte.
Jetzt hingen der Ring und der Schlüsselbund im Schloss des offenen Schubfachs.
Der Snorri-Codex war weg.
Irgendjemand hatte die uralte Textsammlung gestohlen.
Ich sehe es vor mir. Sie drücken seinen Kopf unter Wasser. Drohen ihm. Am Ende gibt er nach. Widerwillig verrät er, wo das Pergament zu finden ist. Ich hätte genau das Gleiche getan. Einer der Verbrecher läuft zum Haus. Und als er den Codex findet, in dem Schubfach der Truhe, drücken die anderen Schweine seinen Kopf unter Wasser, während er kämpft und sich wehrt, bis er zu atmen aufhört und sein Körper ruhig und schlaff ist. Und dann lassen sie ihn einfach liegen wie eine
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