Der Pakt - Rügen Thriller
fest wie möglich draufdrücken.«
Juli nickte, mittlerweile halb benommen. Ihre Wangen waren mit Kratzspuren übersät.
»Ich decke jetzt ein paar Zeitungen über dich«, sagte Simon, »dann folgen die Kartons, okay?«
Wieder nickte sie.
Simon machte sich ans Werk. Geschickt stapelte er mehrere Pappen übereinander, so dass von Juli nichts mehr zu sehen war. Anschließend startete er den Wagen und fuhr weiter Richtung Stadtausgang, wobei er peinlich darauf bedacht war, alle Verkehrsregeln strikt einzuhalten. Nur kein Aufsehen erregen.
Kaum hatten sie Stralsund verlassen, stießen sie auf der B 96 auf einen Kontrollposten. Es war derselbe, an dem Jürgen Fuchs vor einigen Stunden den Tod gefunden hatte. Inzwischen war das Autowrack abtransportiert worden und die Straße geräumt.
»Guten Abend! Polizeiwachtmeister Zorn«, grüßte ein hochgewachsener Mann und leuchtete mit einer Taschenlampe ins Fahrzeug. »Dürfte ich Ihre Papiere sehen? Und schalten Sie bitte den Motor aus.«
»Natürlich!« Simon brachte ein Lächeln zustande und gab ihm seinen Führerschein. Seine Hände waren schweißnass vor Angst.
»Was haben Sie denn für schwere Ladung da hinten?«, fragte der Wachtmeister und wies auf die Rücksitze.
Simon winkte ab. »Das sind nur leere Kartons. Ich ziehe gerade von Hamburg hierher und habe heute die erste Fuhre meiner Sachen hergebracht. Wollen Sie es sich ansehen?«
Es war ein gewagtes Pokerspiel, denn Simon hatte den Geruch von Julis Blut in der Nase. Er fragte sich, wie lange es dauern würde, ehe auch der Polizist etwas bemerkte.
Der Beamte schien kurz über das Angebot nachzudenken, aber dann fiel sein Blick auf Simons grundehrliche Züge. Nein, sagte ihm sein in dreißig Dienstjahren geschultes Gefühl, der Junge ist absolut sauber. Außerdem suchten sie ja nach einer Frau. »Nicht nötig, Herr Merk.« Er gab ihm den Führerschein zurück. »Ich wünsche Ihnen gute Fahrt!«
Simon ließ das Fenster wieder hochfahren und startete auf atmend den Motor.
66
Der Notarzt hatte Manjas Gesicht mit einer Art Erfrischungstuch behandelt und sie angewiesen, sich das Gesicht mit kaltem Wasser abzuspülen. Doch auch danach hatte sie noch immer das Gefühl, Nadeln im Mund zu haben. Nur langsam ließ die Wirkung des Pfeffersprays nach.
»Was ist mit Schilling?«, fragte sie, als sie zurückkam. Das Sprechen fiel ihr nun noch schwerer als nach der Attacke der Killerin heute Mittag. Die Worte knirschten wie Kiesel in ihrem Mund, und in ihrem Kopf hämmerte eine Schar unsichtbarer Schlagbohrer.
»Eine Kugel in der Brust«, sagte der Arzt. »Aber ich denke, dass er durchkommt.«
»Und Gruber?«
Sie sah, wie der Arzt den Kopf schüttelte. »Herzdurchschuss. Er war sofort tot.«
Manja vergrub den Kopf zwischen den Händen. Sie zitterte am ganzen Körper und verspürte das überwältigende Bedürfnis, in Tränen auszubrechen. Aber das ging nicht. Nicht hier. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie geschossen. Und einen Menschen getötet. Ja, sie war Gruber nur zuvorgekommen. Hätte er sich die Waffe geschnappt, läge sie jetzt vermutlich an seiner Stelle. Dennoch hatte sich die Ungeheuerlichkeit des Augenblicks, als der Schuss krachte, tief in ihr Bewusstsein eingebrannt. Sie hatte das Gefühl, eine Grenze überschritten zu haben. Dieses Gefühl stimmte sie unendlich traurig, auch wenn ihr Verstand ihr sagte, dass sie anders nicht hatte handeln können.
Mit wackligen Beinen stand Manja auf und ging zu Nora Rottmann, die apathisch auf der Couch im Wohnzimmer saß.
»Ich habe es wirklich nicht bemerkt.« Sie sah Manja an. »Können Sie sich das vorstellen? All die Jahre hatte ich nicht die geringste Ahnung, dass Axel …«
Manja legte ihre Hand auf die von Nora, sagte aber nichts.
»Glauben Sie, dass …« Nora atmete tief ein. »Glauben Sie, dass Kerstin etwas davon wusste? Dass sie im Grunde nur eine Stellvertreterin war, ein Ersatz?«
»Vermutlich hat sie etwas geahnt«, erwiderte Manja. »Aber manchmal wollen wir gewisse Dinge nicht wahrhaben. Manchmal ist es leichter, mit der Illusion zu leben.«
»Diese Frau … werden Sie sie schnappen?«
»Ich hoffe es.« Manja lehnte sich zurück. »Ich hoffe es wirklich. Wir haben Straßensperren, überall. Am Bahnhof wird kontrolliert. Außerdem ist sie verwundet. Aber irgendjemand hat ihr vorhin geholfen. Der Stimme nach war es ein Mann. Zu zweit haben sie natürlich eine bessere Chance.«
»Dann fordern Sie doch mehr Polizisten an! Bitten Sie um
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