Der Pakt
die Farbe aus allem herausgesaugt. Ich fühlte mich ziemlich ausgelaugt. Schüsse, die mir galten, bekamen meinem Wasserhaushalt gar nicht. Aber vielleicht war ja auch einfach nur Kairo daran schuld.
Das Mena House lag nur einen Steinwurf von den Pyramiden entfernt. Die ehemalige Jagd-Lodge des ägyptischen Khedive war jetzt ein Luxushotel, wo das Treffen zwischen Churchill, Roosevelt und Tschiang Kaischek stattfand. Die ganze Gegend wimmelte von Soldaten, Panzerfahrzeugen, Panzern und Flakbatterien, und um das Hotel und sein weitläufiges Grundstück zogen sich Sicherheitskordons.
Das Mena House bot ein ganz anderes Bild als das Shepheard.
Es lag inmitten von Rasenflächen, Palmen und blühenden Sträuchern. Nur die Cheops-Pyramide behinderte die Aussicht auf die Wüste. Von außen wirkte das Hotel eher wie die Hollywood-Villa eines superreichen Filmstars. Ich zog die kosmopolitischere Atmosphäre des Shepheard vor. Aber es lag auf der Hand, warum die britischen Militärs das Mena House als Konferenzort favorisiert hatten. Nur von Wüste und ein paar Pyramiden umgeben, war es leicht zu schützen. Wobei die Westalliierten kein Risiko eingegangen waren: Auf dem Rasen befanden sich vier Flakstellungen, und im kühlen Schatten leise 367
vor sich hin wedelnder Palmen standen Lastwagenladungen zu Tode gelangweilter britischer und amerikanischer Soldaten bereit. Alle sahen aus, als beteten sie um eine Heuschreckenplage, einfach nur um einen Grund für ein paar Schießübungen zu haben.
Ich stieg aus und betrat eine lang gezogene Veranda. Die Stufen zum Haupteingang waren mit einer Rampe versehen, und auch das kühle Innere des Hotels war mit Rampen für Roosevelts Rollstuhl umgerüstet.
Ein Offizier am Empfang wies mir den Weg zu Hopkins’
Büro. Ich durchquerte das Hotel mit seinen erlesenen Mashrabia-Wandschirmen, blauen Kacheln und Mosaiken. Die Holztüren waren mit getriebenem Messing beschlagen. Bis auf die großen Kamine, die dem Interieur einen Hauch von englischer Landhausatmosphäre gaben, wirkte alles ursprünglich und ägyptisch. Als ich durch einen langen Flur wanderte, trat ein kleiner Mann im weißen Leinenanzug aus einer Tür und kam auf mich zu. Der Mann trug einen grauen Hut und einen leichten, grauen Sommeranzug und rauchte eine dicke Zigarre.
Ich brauchte keine Sekunde, um zu erkennen, dass es Winston Churchill persönlich war. Der Premierminister knurrte mir im Vorbeigehen ein »Guten Morgen« zu.
»Guten Morgen, Herr Premierminister«, sagte ich, verblüfft, dass er überhaupt etwas gesagt hatte.
Ich eilte weiter den Flur entlang und fand Harry Hopkins in einem Raum, der mit seinen maurischen Bögen, Mashrabia-Wandschirmen und Messinglampen ein wenig an ein Serail erinnerte. Doch statt einer Odaliske waren da außer Hopkins noch Mike Reilly und ein Mann, der mir vage bekannt vorkam.
»Professor Mayer«, sagte Hopkins mit einem warmen Lächeln.
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»Da sind Sie ja.« Ich war ein, zwei Minuten zu früh dran, aber es klang, als hätten sie gerade einen Suchtrupp losschicken wollen.
»Das ist Chip Bohlen vom Außenministerium. Er ist mit Averell Harriman gekommen, aus der Moskauer Botschaft.
Mr. Bohlen spricht fließend Russisch.«
»Das wird sich bestimmt als praktisch erweisen«, sagte ich und schüttelte die Hand, die mir Bohlen hinstreckte.
»Chip hat gerade ein Plädoyer für das Außenministerium gehalten«, sagte Hopkins grinsend. »Hat mir erklärt, mit welchen Handicaps sich die Beamten dort herumschlagen müssen. Ach, übrigens, er kannte offenbar Ihren Freund Ted Schmidt und dessen Frau.«
»Ich kann immer noch nicht fassen, dass er tot ist. Und Debbie auch. Ich war bei ihrer Hochzeit«, sagte Bohlen.
»Dann kannten Sie sie wohl gut«, sagte ich.
»Sehr gut sogar. Ted und ich kamen etwa gleichzeitig ins Russisch-Programm des Außenministeriums und haben zusammen in Paris studiert. Dorthin wurden die meisten unserer Leute zum Sprachstudium geschickt. Danach sind wir gemeinsam nach Estland gegangen, um ein Gefühl für das gesprochene Russisch zu kriegen, und dort haben wir eine Weile zusammengewohnt, bis Ted dann nach Washington zurückging.« Bohlen schüttelte den Kopf. »Mr. Hopkins sagt, Sie glauben, die beiden wurden ermordet.«
Ich versuchte, mir meine Verblüffung nicht anmerken zu lassen. Über meine Zweifel an Deborah Schmidts Unfalltod hatte ich nur mit General Donovan und mit Ridgeway Poole in Tunis gesprochen.
»Wir haben einen Funkspruch für Sie erhalten,
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