Der Pakt
von Ihren Leuten in Washington«, erklärte Reilly. »Ich fürchte, nach dem, was in Tunis war, habe ich ihn gelesen.«
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»Sie meinen, für den Fall, dass ich doch ein deutscher Spion bin?«, sagte ich.
»So in etwa«, sagte Reilly grinsend.
Er reichte mir die Funknachricht vom Campus. Ich las sie rasch durch. Sie enthielt genauere Informationen über den Verkehrsunfall, der Debbie Schmidts Leben ein Ende gesetzt hatte. Am Donnerstag, dem 18. Oktober, war sie beim Verlassen des Damenoberbekleidungshauses Jelleff in der F Street von einem Wagen erfasst worden, dessen Fahrer anschließend Fahrerflucht begangen hatte. Die Wohnung der Schmidts in Georgetown war gründlich durchsucht worden, und die Metro Police behandelte die Sache als verdächtigen Todesfall.
»Warum hätte jemand Debbie Schmidt umbringen sollen?«, fragte Bohlen.
»Weil Debbie Schmidt ein Verhältnis mit jemandem hatte«, erklärte ich. »Jedenfalls hat mir das Ted erzählt. Aber er hat es offenbar auch noch jemand anderem erzählt. Jemandem auf der Iowa. Ich glaube, dass ihn dieser Jemand umgebracht hat. Und ich glaube ferner, dass sich der Mörder mit einem Trick Zugang zum Funkraum des Schiffs verschafft und von dort einen Funkspruch in die Staaten abgesetzt hat. Ich vermute, dieser Funkspruch enthielt Mrs. Schmidts Washingtoner Adresse und die Anweisung, sie aus der Welt zu schaffen.«
Bohlen runzelte die Stirn. »Er hat so was gesagt, als er bei der Konferenz in Moskau war. Dass sie eine Affäre hätte.«
»Ted war in Moskau? Mit Cordell Hull?«
Bohlen nickte.
»Das wusste ich nicht.«
»Er hatte ein bisschen zu viel getrunken – was sich in Gesellschaft der Sowjets kaum vermeiden lässt – und sagte, er habe da so einen Verdacht. Wer derjenige war, hat er nicht 370
gesagt. Nur dass er den Mann kenne. Und dass es jemand aus dem Außenministerium sei.«
»Hat er Ihnen gesagt, wer es war?«, fragte mich Reilly.
»Ja, hat er.« Ich sah keinen Grund, diesen Punkt noch länger geheim zu halten. Schon gar nicht jetzt, wo sowohl die Washingtoner als auch die Kairoer Polizei im Spiel waren. »Es war Thornton Cole.«
Ich wartete, bis ihre Verblüffung abklang. Dann sagte ich:
»Die Tatsache, dass Debbie Schmidt ein Kind von Cole erwartete, macht es doch um einiges unwahrscheinlicher, dass er auf der Suche nach homosexuellem Sex war, als er im Franklin Park ermordet wurde.«
»Verstehe, was Sie meinen«, sagte Reilly.
»Da bin ich aber dankbar. Ich dachte schon, ich hätte einfach nur eine schmutzige Phantasie. Ted und ich haben darüber gesprochen. Wir sind beide zu dem Schluss gekommen, dass derjenige, der Cole ermordet hat, sicherstellen wollte, dass der Fall im Kielwasser des Sumner-Welles-Skandals möglichst schnell unter den Teppich gekehrt wird. Deshalb hat er es so aussehen lassen, als ob Cole an einem öffentlichen Ort Sex mit einem Mann gehabt hätte. Angesichts der Tatsache, dass Cole im Außenministerium in der Deutschlandabteilung gearbeitet hat, könnte es sein, dass er einem Washingtoner Agentenring auf der Spur war.«
»Warum haben Sie uns das nicht früher erzählt?«, wollte Reilly wissen.
»Bei allem Respekt, Mr. Reilly, Sie waren nicht auf dem Schiff«, sprang mir Hopkins bei. »Der Professor hat sich auf der Iowa nicht sonderlich beliebt gemacht, als er den Verdacht äußerte, dass Schmidt ermordet worden sei und sich womöglich ein deutscher Spion an Bord befinde.«
»Außerdem«, sagte ich, »wem hätte ich es erzählen sollen? Ich konnte mir doch nicht sicher sein, dass derjenige nicht Schmidts 371
Mörder war. Was womöglich bedeutet hätte, dass ich auch noch ermordet worden wäre.« Ich hielt kurz inne. »Letzte Nacht hätte es mich jedenfalls um ein Haar erwischt.«
»Was?« Hopkins sah die anderen beiden an. Sie schienen genauso baff wie er.
»Eine Kugel.«
»Das ist nicht wahr«, sagte Hopkins schockiert.
»Es ist wahr. Unterstrichen und kursiv. Jemand hat letzte Nacht auf mich geschossen. Aber daneben, zu meinem Glück.
Und zum Pech eines anderen Mannes, den er getroffen hat.
Momentan liegt in den Ezbekiya-Gärten eine Leiche, die meine hätte sein sollen.«
Ich zündete mir eine Zigarette an und setzte mich in einen Sessel. »Ich denke, derjenige, der die Schmidts auf dem Gewissen hat, will mich ebenfalls umbringen. Nur für den Fall, dass Ted mir das mit Thornton Cole erzählt hat.«
»Ist die Polizei damit befasst?«, fragte Reilly.
Ich lächelte. »Natürlich ist die Polizei damit
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