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Der Pakt

Der Pakt

Titel: Der Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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klingt gut«, sagte ich.
    »Komm so um sieben vorbei.«

    Ich marschierte nach Norden, den Nil und die britische Botschaft zu meiner Linken. Vor der Botschaft standen britische Soldaten in Schilderhäuschen, die aussahen, als schämten sie sich ein bisschen im Vergleich zur Größe und Pracht des weißen 361

    Gebäudes inmitten der üppig grünen Gärten, die nicht kleiner und sogar um einiges schöner waren als der Park des Buckingham-Palasts. Eine Weile hatte ich das Gefühl, dass mir eine dunkelgrüne Limousine folgte. Doch als ich dann beim Museum ägyptischer Altertümer die Straße überquert hatte und der Aldo Street ostwärts in Richtung Opera Square folgte, drehte ich mich noch einmal um und konnte sie nicht mehr entdecken.
    Eigentlich hatte ich überhaupt keine Angst. Kairo war noch hellwach. Trotz der späten Stunde waren überall noch Läden geöffnet, die sich ans Leben klammerten wie bemooste Muscheln an ein uraltes Aquarium. Die ärmlichen Inhaber musterten mich mit einer Mischung aus Belustigung und zahnloser Faszination. An Straßenecken dösten alte Männer mit Turbanen vor sich hin. Ganze Familien saßen auf dem Bordstein, schwatzten und zeigten mit dem Finger auf mich.
    Und hinter einem offenen Fenster schien eine Party in vollem Gang: Ich hörte rhythmisches Händeklatschen und gellende Frauenstimmen, die klangen wie eine Horde Cherokee auf dem Kriegspfad. Hunde bellten, Straßenbahnen quietschten, Autos hupten. In dieser Nacht war Kairo voller Magie.
    Ich passierte das Café Groppi, den Turf Club und Sha’ar Hashamaim – das Himmelstor, die größte Synagoge von Kairo, die ich sofort an den hebräischen Mauerinschriften erkannte.
    Durch den schwarzen Himmel über mir schwenkten die Lichtkegel von Suchscheinwerfern, auf der Jagd nach deutschen Bombern, die nie kommen würden. Auf dem Opera Square, unweit des Shepheard, warb eine Neonreklame für Madame Badias Opera Casino. Ich dachte an Coogan und musste lächeln.
    Plötzlich war mir, als sähe ich, wie sich ein Mann im Tropenanzug rasch in einen Ladeneingang drückte.
    Um festzustellen, ob ich verfolgt wurde, ging ich wieder ein Stück in die Richtung zurück, aus der ich gekommen war, musste dann aber den Rückzug antreten, als ich am Rand des Freiluftkinos in den Ezbekiya-Gärten auf eine ganze Meute von 362

    Fliegenwedelhändlern, Schuhputzern, Blumenverkäufern und unrasierten Anbietern überwiegend gebrauchter Rasierklingen stieß. Es lief gerade ein Film. Oder vielmehr, er war gerade zu Ende, und ich arbeitete vergeblich gegen den Menschenstrom an, der sich aus dem Park wälzte.
    Für den Fußmarsch hatte ich die Smokingjacke ausgezogen.
    Jetzt fiel sie mir vom Arm. Als ich mich bückte, um sie vom Rasen aufzuheben, hörte ich etwas Kleines über meinen Kopf hinwegpfeifen. Es klang wie ein dickes Schnipsgummi, das durch die Luft sauste und dann gegen irgendetwas schlug. Ich richtete mich wieder auf und sah mich Auge in Auge mit einem Ägypter, der einen Tarbusch trug und ein verdutztes Gesicht machte. Sein Mund stand so weit offen, als hätte er versucht, nach der dicken, roten Fliege zu schnappen, die jetzt auf seiner Stirn herumkrabbelte. Noch im selben Moment fiel er vor mir auf die Knie und dann rückwärts auf die Erde. Ich sah hinab.
    Die rote Fliege auf seiner Stirn war eindeutig ein Loch, aus dem sechs beinartige, dünne Blutfäden rannen. Der Mann hatte eine Kugel zwischen die Augen bekommen.
    Der Schuss hatte mir gegolten! Ich fuhr mit der Hand in die Spezialtasche meines Smokings und fasste den Griff des kleinen, hahnlosen 32er Colt, den sie uns am Catoctin Mountain für Abendanlässe gegeben hatten.
    Ich war bereit, ein Loch ins Smokingfutter zu pusten, sobald ich fand, was ich suchte: einen Mann mit einem Schalldämpfer auf einer kleinkalibrigen Taschenpistole wie meiner.
    Gleichzeitig entfernte ich mich rasch von dem Körper, von dem noch niemand gemerkt hatte, dass er einem Toten gehörte. In Kairo waren am Boden liegende Leute nichts Ungewöhnliches.
    Nicht einmal tote.
    Ich ging zurück zum Shepheard, den Smoking um die Hand gewickelt wie einen dicken schwarzen Verband und den Zeigefinger am Abzug des kleinen Colts. Ein Stück vor mir ging ein Mann, fast so schnell wie ich. Er trug einen beigefarbenen 363

    Tropenanzug, einen Strohhut und zweifarbige Golfschuhe. Sein Gesicht konnte ich nicht sehen, aber als er an einem Schaufenster vorbeiging, erkannte ich, dass er eine Zeitung in der Hand hielt. Oder vielmehr, dass er

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