Der Pakt
es ist schon schlimm genug, dass er mit einem Schwein wie Hitler Frieden
schließen wollte, aber noch viel schlimmer ist, dass er es vermasselt hat. Herrgott. Die Geschichtsschreibung wird auf mich spucken – gelinde gesagt.«
»Niemand wird irgendetwas Derartiges sagen, Mr. President«, sagte Chip Bohlen. »Weil keiner von uns je über die Vorgänge hier reden wird. Ich finde, wir sollten alle unser Ehrenwort geben, Schweigen über das zu bewahren, was ich zumindest als einen wackeren Versuch ansehe, der beinah geglückt wäre.«
Von den anderen im Raum kam zustimmendes Gemurmel.
»Danke«, sagte Roosevelt. »Ich danke Ihnen, meine Herren.«
Er schraubte eine Zigarette in seine Zigarettenspitze und ließ sich von mir Feuer geben. »Aber ich muss gestehen, ich begreife immer noch nicht ganz, warum Hitler abgereist ist. Er schien uns diese Sache doch nicht weiter krumm genommen zu haben.
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Er hat sich doch bei Ihnen bedankt und Ihnen die Hand geschüttelt, Professor.«
»Vielleicht hat er einfach die Nerven verloren«, sagte Reilly.
»Als er wieder in seinem Zimmer war. Er hat sich hingesetzt und noch mal drüber nachgedacht, und da ist ihm klar geworden, wie knapp er davongekommen ist. Das passiert doch manchmal, wenn man um ein Haar tot gewesen wäre.«
»Schon«, sagte Roosevelt, »aber ich dachte wirklich, ich würde Hitler kriegen. Verstehen Sie? Ihn herumkriegen.«
»Jetzt müssen Sie zusehen, dass Sie Stalin kriegen«, sagte Harry Hopkins. »Wir wussten doch von Anfang an, wie hoch das Risiko war, dass diese geheimen Friedensgespräche scheitern könnten. Herrgott, deshalb waren sie ja schließlich geheim. Also greifen wir jetzt auf Plan B zurück. Die Großen Drei. Das, was ursprünglich hier in Teheran stattfinden sollte.
Wir müssen Stalin nahe bringen, was eine zweite Front am Ärmelkanal bedeutet, und ihn für unsere Idee der Vereinten Nationen gewinnen.«
Hopkins war noch damit beschäftigt, das Selbstvertrauen des Präsidenten wiederaufzubauen und ihm den Glauben an seine Überzeugungskraft dem Sowjetmarschall gegenüber wiederzugeben, als plötzlich, eskortiert von Wlasik, Pawlow und mehreren georgischen NKWD-Leuten, Stalin persönlich in der Tür des Präsidentenwohnzimmers erschien.
»Guter Gott, Onkel Joe. Er ist hier«, murmelte Hopkins.
Stalin ließ die NKWD-Leute im Flur stehen und kam langsam und schwerfällig näher. Man roch das scharfe Aroma der Belomor-Zigaretten, das in seinem senffarbenen Sommeruniformrock hing wie der strenge Geruch im Fell eines nassen Hundes. Pawlow und Wlasik folgten ihm wie an einer unsichtbaren Leine gezogen. Chip Bohlen sprang rasch auf, verneigte sich vor dem sowjetischen Staatsoberhaupt und quittierte etwas, das Stalin gesagt hatte, mit einem beflissenen 525
» Da da « .
Roosevelt manövrierte seinen Rollstuhl vor Stalin hin und streckte die Hand aus. »Hallo, Marschall Stalin«, sagte er. »Was passiert ist, tut mir sehr Leid. Wirklich. Nach all Ihren couragierten Bemühungen, einen Friedensschluss zu erreichen, jetzt das – ich bin untröstlich.« Stalin schüttelte Roosevelt stumm die Hand, während Bohlen übersetzte. »Und ich schäme mich zutiefst, dass es jemand von meinen Leuten war, der Hitler zu töten versucht hat.«
Stalin ließ die Hand des Präsidenten los und schüttelte den Kopf. »Aber deshalb hat er die Sache nicht platzen lassen«, sagte er schroff. Er nahm seinem Dolmetscher Pawlow die Beketowka-Akte ab und legte sie dem Präsidenten vorsichtig auf den Schoß.
»Das hier ist der Grund dafür, dass er die Gespräche abgebrochen hat.«
»Was ist das?«, fragte Roosevelt.
»Ein Dossier, das der deutsche Nachrichtendienst für Ihre Augen erstellt hat, Herr Präsident«, sagte Stalin. »Es enthält angeblich detaillierte Informationen über Gräueltaten, die Soldaten der Roten Armee an deutschen Kriegsgefangenen verübt haben. Es wurde dem Führer heute Vormittag von einem Ihrer Leute übergeben. Das Dossier ist natürlich eine Fälschung.
Wir glauben, dass es von fanatischen deutschen Faschisten fabriziert wurde, in der Absicht, einen Keil zwischen die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion zu treiben. Hitler wusste natürlich nichts davon. Wie sollte er auch? Ein Oberbefehlshaber kann nicht alles mitbekommen, was sich seine Nachrichtendienste an Desinformation aus den Fingern saugen.
Als er dann diese Akte sah, nahm er diese Lügen über die Behandlung deutscher Kriegsgefangener in Russland für bare Münze und
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