Der Pakt
Vielleicht können Sie damit ja auch etwas anfangen.«
Berija lachte. »Wjatscheslaw Michailowitsch, Sie hätten einen verflixt guten Polizisten abgegeben, wissen Sie das?«
»Wenn Sie das hier nicht hinkriegen, Lawrentij Pawlowitsch, könnte da ja ein Posten frei werden.«
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14.30 UHR
Es war ein milder, sonniger Sonntagnachmittag. In den vielen Kirschbäumen auf dem russischen Botschaftsgelände sangen Vögel, und irgendwo wurde etwas Köstliches gekocht. Doch in der unmittelbaren Umgebung des Präsidenten war die Laune auf dem Nullpunkt, und niemand hatte Appetit auf das späte Mittagessen. Hitlers jähe Abreise – er war bereits an Bord seiner Condor, auf dem Rückweg auf die Krim und von dort nach Hause – hatte Roosevelt schwer getroffen.
»Es lief doch gerade alles so gut«, sagte er kopfschüttelnd.
»Wir waren doch auf dem Weg zu einem Frieden. Keinem perfekten Frieden, aber immerhin. Hitler war doch schon bereit, seine Truppen aus fast allen besetzten Gebieten abzuziehen. Sie haben es doch gehört, Professor. Sie haben ja wohl am allerbesten verstanden, was er gesagt hat. Das hat er doch gesagt, oder?«
Ich war nicht minder verzweifelt als Roosevelt, wenn auch aus ganz anderen Gründen. »Ja, Sir. Ich glaube, dazu war er bereit.«
»Wie hatten den Frieden schon in Händen und haben es vermasselt.«
»Was heute Vormittag passiert ist, konnte doch niemand vorhersehen«, sagte Hopkins. »Dass dieser Irre einfach eine Pistole zieht und Hitler erschießen will. Großer Gott. Was hat ihn bloß dazu getrieben, Mike? Und die Sache mit dem Wasser.
Das war doch vergiftet, oder?«
»Ja, Sir, es war vergiftet«, sagte Reilly. »Die Russen haben das restliche Wasser aus der Karaffe einem Hund gegeben. Der ist inzwischen gestorben.«
»Diese verdammten Russen«, sagte Roosevelt. »Warum machen sie denn so was? Der arme Hund. Was sind das für Leute, die so was tun?«
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»Welche Art Gift es war, steht allerdings noch nicht fest«, fuhr Reilly fort. »Ordentliche Labors sind in diesem Land Mangelware.«
»Warum zum Teufel hat er das getan, Mike?«, fragte Roosevelt.
»Hat er irgendwas gesagt?«
Agent Pawlikowski war nach der Schießerei sofort ins amerikanische Militärkrankenhaus in Camp Amirabad gebracht worden.
»Sie operieren noch, Sir. Aber es sieht nicht gut aus.
Leberdurchschuss.« Reilly schluckte beklommen. »Ich möchte mich im Namen des Finanzministeriums und des Secret Service bei Ihnen entschuldigen, Mr. President.«
»Ach, lassen Sie’s gut sein, Mike. Nicht Ihre Schuld.«
»Und bei Ihnen auch, Professor Mayer. Sie hatten die ganze Zeit Recht. Sie haben schon auf der Iowa gesagt, wir hätten einen Mörder unter uns.«
»Ich habe nur halb richtig gelegen. Ich dachte, er hätte es auf Stalin abgesehen. Und halb richtig ist in meinen Augen keinen Deut besser als gänzlich falsch.«
»Ich finde, wir alle haben Professor Mayer zu danken«, sagte Hopkins. »Ohne ihn würden sie Cordell Hull jetzt wohl an die Wand stellen.«
»Ja«, sagte Roosevelt, der sich die Hand auf den Magen presste. »Danke, Willard.«
»Sie sehen nicht sonderlich wohl aus, Sir«, erklärte Reilly dem Präsidenten. »Soll ich Admiral McIntyre holen?«
»Nein, Mike, mir fehlt nichts. Wenn ich unwohl aussehe, dann nur, weil ich an all die amerikanischen Jungs denke, die nächstes Jahr an den Stränden der Normandie ihr Leben lassen werden. Von den Juden Europas ganz zu schweigen.« Roosevelt bewegte sich unbehaglich in seinem Rollstuhl. »Glauben Sie, er 523
hat das ernst gemeint, Harry? Glauben Sie, er will wirklich drei Millionen Juden umbringen?«
Hopkins sagte nichts.
»Professor?«, fragte Roosevelt. »Meint er’s ernst?«
»Der Gedanke belastet mich sehr, Sir. Nicht zuletzt, weil ich derjenige bin, der Hitler das Leben gerettet hat. Es wäre mir schrecklich, bis an mein Lebensende bereuen zu müssen, was heute Vormittag war. Aber ich habe das scheußliche Gefühl, es könnte so kommen.« Ich nahm eine Zigarette von Chip Bohlen.
»Es wäre mir, ehrlich gesagt, am liebsten, es würde nie wieder angesprochen, weder mir gegenüber noch sonst jemandem. Ich will es einfach vergessen, wenn Sie nichts dagegen haben.«
»Wir nehmen alle ein paar schmutzige Geheimnisse mit nach Hause«, sagte Roosevelt. »Vor allem ich. Können Sie sich vorstellen, was die Leute über Franklin D. Roosevelt sagen werden, wenn sie je erfahren, was ich getan habe? Ich will Ihnen sagen, was sie sagen werden. Sie werden sagen,
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