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Der Pakt

Der Pakt

Titel: Der Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Bericht. Roosevelt kriegt seinen. Und jetzt werden die Russen vermutlich auch ihren eigenen haben wollen. Ich nehme an, die Leute werden sich aussuchen müssen, was sie glauben möchten. Im Rahmen globaler Auseinandersetzungen ist so etwas wohl unvermeidlich.
    Aber Recht hin, Unrecht her, die Russen sind immer noch unsere Verbündeten, und wir werden lernen müssen, mit ihnen zusammenzuarbeiten, wenn wir diesen Krieg gewinnen wollen.«
    Er schien mit seiner Analyse fertig, und ich stand auf und bedankte mich.
    »Für unsere amerikanischen Vettern tun wir doch alles.«
    Pearson bedankte sich seinerseits, und Philby sagte zu mir:
    »Norman gilt hier als der am wenigsten verschreckte Mann vom Grosvenor Square.« Seit ich gesagt hatte, ich wolle jetzt gehen, hatte sich seine Laune merklich gebessert. »Wir tun ja unser Bestes, nicht zu trocken und einschüchternd für euch Amerikaner zu sein, aber man weiß eben nie, wie man auf andere wirkt. Dass wir immer noch nicht erobert worden sind, liegt daran, dass wir uns nicht beeindrucken lassen. Nicht von Lebensmittelkarten, nicht von deutschen Bomben, ja, nicht mal vom englischen Wetter – hab ich Recht, Norman?«
    Nachdem ich mich an den Broadway Buildings von Pearson verabschiedet hatte, ging ich zu Fuß durch den Park zurück und dachte noch ein wenig über mein Wiedersehen mit »Kim«
    Philby nach. Ich hatte mit Harold »Kim« Philby vor dem Krieg kurze Zeit in Wien zu tun gehabt. Ende 1933 war er mit dem Motorrad nach Wien gekommen, direkt aus Cambridge. Philby, vier Jahre jünger als ich und Sohn eines berühmten britischen Forschungsreisenden, hatte sich sofort in die Arbeit für den linken Widerstand in Wien gestürzt. Nachdem neun führende Sozialisten von der Heimwehr gelyncht worden waren, hatten er und ich geholfen, Linke zu verstecken, bis sie in die Tschechoslowakei geschmuggelt werden konnten.
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    In Philbys und meiner Wiener Zeit hatte Otto Deutsch, ein Doktor der Philosophie, der für den Sexualwissenschaftler Wilhelm Reich, aber auch für das NKWD arbeitete, uns beide mehrfach für den russischen Geheimdienst anzuwerben versucht. Ich hatte damals dem Angebot widerstanden. Wie sich Philby verhalten hatte, wusste ich nicht. Er war im Mai 1943 mit Litzi nach England zurückgekehrt, um sie vor der Heimwehr in Sicherheit zu bringen, denn sie war viel offener aktiv gewesen als Kim selbst. Ich war immer davon ausgegangen, dass Philby genau wie ich Deutschs Einladungen, sich dem Wiener NKWD
    anzuschließen, abgewiesen hatte. Doch dass er jetzt für den SIS
    in der Russland-Spionageabwehr arbeitete und so sichtlich nervös auf unsere Wiederbegegnung reagiert hatte, gab mir zu denken.
    Natürlich konnte ich mit niemandem darüber sprechen, ohne die Aufmerksamkeit auf meine eigene Vergangenheit zu lenken.
    Und ich glaubte auch nicht, dass es wirklich wichtig war. Wenn die Briten tatsächlich, wie im OSS allgemein vermutet wurde, die deutschen Codes knackten, aber den Russen keine relevanten Informationen zukommen ließen, weil sie befürchteten, dass man sonst von ihnen verlangen würde, das gesamte dekodierte deutsche Material weiterzugeben, dann würde es Philby sicher als seine Pflicht ansehen, ein so perfides Verhalten einem Verbündeten gegenüber wettzumachen. Diese Form von Verrat hätte ich vielleicht sogar gutgeheißen. Ich hätte es zwar selbst nicht getan, aber schon fast gebilligt, dass es jemand anders tat.
    Wieder im Hotel, machte ich mir ein paar Notizen für meinen Katyn-Bericht, nahm ein weiteres lauwarmes Bad und warf mich in den Smoking. Um achtzehn Uhr dreißig war ich in der Bar des Ritz und bestellte schon den zweiten Martini, während ich noch dabei war, den ersten auszutrinken. Ich versuchte, all die richtigen Sachen zu sagen, sagte insgesamt viel weniger, als die Leute wissen wollten, sagte überhaupt nicht viel, hörte einfach nur zu – es war ein langer Tag gewesen, und ich 107

    brauchte dringend Entspannung. Rosamond war dafür genau das richtige Gegenüber.
    Ich hatte sie seit Kriegsbeginn nicht mehr gesehen und war ein wenig überrascht, dass ihr damals braunes, welliges Haar jetzt von einem blaustichigen Grau war. Von ihrer Sinnlichkeit hatte sie jedoch nichts eingebüßt.
    »Darling«, begrüßte sie mich mit ihrer sanften, hauchigen Stimme. »Wie wundervoll, dich zu sehen.«
    »Du bist so hinreißend wie immer.«
    »Das ist sehr lieb von dir, Will, aber es stimmt nicht.« Sie fasste sich ein wenig verlegen ans Haar.
    Ich

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