Der Pakt
sich die Lippen. »Jetzt hinsetzen und die Handschelle aufschließen.«
Schellenberg taumelte rückwärts und plumpste in seinen Sitz, weil die Maschine in ein Luftloch sackte. Als er den Schlüssel gefunden hatte, löste er die Handschelle vom vorgestreckten Handgelenk.
»Jetzt rübergeben.«
Schellenberg sah geduldig zu, wie der Mann die Aktentasche auf den Knien balancierte und auf der Schließe herumdrückte.
»Ist abgeschlossen«, sagte er ruhig. »Es gibt noch einen Schlüssel.«
Hoffmann warf ihm die Mappe wieder hinüber. »Aufmachen.«
Schellenberg schloss die Aktenmappe auf und reichte sie dann wieder hinüber. Hoffmann hielt sie ein paar Sekunden auf dem Schoß, als wäre er unsicher, was er machen sollte, blickte dann hinein, fand aber nur die Zellophanhüllen, das Geld und das Feuerzeug.
»Ist das alles?«
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»Ich weiß nicht«, sagte Schellenberg. »Ich habe nicht reingeschaut. Meine Order war, die Mappe in Stockholm zu übergeben, nicht den Inhalt zu inspizieren.«
»Da muss noch mehr sein«, insistierte Hoffmann. »Sie sind SS-Brigadeführer. Chef des Auslandsnachrichtendiensts. Sie würden doch nicht in Himmlers Reisemaschine die ganze Strecke bis Stockholm fliegen, nur um jemandem ein bisschen schwedisches Geld und ein Feuerzeug zu übergeben. Sie sind ein Verräter. Sie haben vor, Deutschland an die Alliierten zu verraten. Himmler selbst hat Ihnen die Aktenmappe gegeben.
Da war etwas drin, bevor Sie das Geld hineingetan haben.
Irgendwas, was mit dem zu tun hat, was in Stockholm abläuft.
Sie müssen es auf der Fahrt zum Flughafen rausgenommen haben. Was es auch ist, Sie müssen es in der Manteltasche oder in Ihrem Gepäck haben. Ich werde Sie jetzt fragen, wo es ist, und dann zähle ich bis drei. Und wenn Sie’s mir nicht sagen, schieße ich. Ich werde Sie nicht töten. Nur schmerzhaft verletzen, Herr Brigadeführer.«
»Sie haben Recht«, sagte Schellenberg. »Ich halte nichts von der Sitte, Leuten Aktenmappen ans Handgelenk zu schließen. So eine Schnapsidee von Himmler. Da kann man doch gleich aller Welt verkünden, dass man etwas Wertvolles dabeihat.« Er zeigte auf den grauen Lodenmantel, der in der Garderobennische hinter ihm hing. »Dort in meiner Manteltasche stecken drei Briefe vom Führer persönlich, an die Großen Drei. Darin erklärt sich Deutschland bereit, sich zu ergeben.«
»Sie lügen.«
»Das ist leicht nachzuprüfen«, sagte Schellenberg. »Schauen Sie doch einfach in meine Manteltasche. Wenn es nicht stimmt, gut, dann erschießen Sie mich. Aber wenn es stimmt, dann denken Sie noch mal nach. Sie sind der Verräter, nicht ich. Sie stellen sich einem direkten Befehl des Führers in den Weg.
Dafür könnte ich Sie erschießen lassen.«
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Hoffmann grinste zynisch. »Im Moment dürfte Ihr Risiko, erschossen zu werden, deutlich größer sein als meins.«
»Stimmt. Also, lassen sie mich meinen Mantel runterholen, dann können Sie sich selbst überzeugen.« Schellenberg stand auf.
»Bleiben Sie, wo Sie sind. Ich hole ihn.«
»Rechte Tasche. Da steckt ein brauner Umschlag.«
»Sagten Sie nicht was von drei Umschlägen?«
»Die sind ja auch da. In dem braunen Umschlag. Hören Sie, das sind Briefe vom Führer, keine Feldpostbriefe irgendeines Soldaten. Sie stecken natürlich noch mal in einem Umschlag, damit sie nicht schmutzig werden. Einen Brief mit Spuren von Fettfingern wird Roosevelt ja wohl kaum wohlwollend lesen, oder?«
Hoffmann legte die Walther von der rechten in die linke Hand, um Schellenbergs Manteltasche durchsuchen zu können.
»Wehe, er ist nicht da drin«, sagte er. »Dann sind Sie ein toter Mann.«
»Und wie wollen Sie das der restlichen Besatzung erklären?«
Hoffmann lachte. »Das brauche ich nicht. Sobald ich diesen Umschlag habe, erschieße ich sie alle und steige dann aus.«
Schellenberg schluckte. Ihm war, als hätte ihn jemand in die Magengrube getreten. Er dachte an das absurde Los, das ihm nach seinem tragischen Tod bei einem Flugzeugabsturz über der Ostsee beschieden sein würde. Zweifellos würde er ein Plätzchen in Himmlers lächerlicher Gruft für SS-Führer auf der Wewelsburg bei Paderborn erhalten. Himmler würde eine weitere grauenhafte Rede halten, und Canaris würde vielleicht sogar um der alten Zeiten willen ein paar Krokodilstränen vergießen. Wenn er diesem Possenspiel entgehen wollte, begriff Schellenberg, musste er etwas gegen Hoffmann unternehmen, der jetzt gerade in die Manteltasche griff.
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Die alten
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