Der Pakt
wenn Sie noch einmal zu Hause vorbeifahren, um Ihren Pass und ein paar Sachen zum Wechseln zu holen. Oberleutnant Wagner wird Sie in die Zahlstelle hinunterbegleiten, wo Sie sich schwedisches Geld abholen können.« Himmler schloss die Aktenmappe an Schellenbergs Handgelenk fest und öffnete dann die Lederklappe. Zum Vorschein kamen drei weiße Umschläge, die jeweils in mehrere Schichten Zellophan gehüllt waren, und ein Feuerzeug. Schellenberg ahnte, dass das Zellophan nicht dazu da war, die Umschläge vor Schmutz zu schützen, sondern gewährleisten sollte, dass er sie im Notfall schneller verbrennen konnte.
»Diese Briefe sind alle vom Führer persönlich«, erklärte Himmler. »Einer ist an Präsident Roosevelt, der zweite an Stalin und der dritte an Premierminister Churchill. Sie werden diese Tasche Dr. Kersten aushändigen, der die Briefe dann den entsprechenden Personen in Stockholm übergeben wird. Dabei werden Sie ihn in jeder erforderlichen Art und Weise unterstützen. Ist das klar?«
Schellenberg schlug die Hacken zusammen und beugte gehorsam den Kopf. »Absolut klar, Herr Reichsführer. Dürfte 124
ich fragen, welchen Inhalts diese Briefe des Führers an die Großen Drei sind?«
»Nicht einmal ich weiß genau, was darin steht«, sagte Himmler.
»Aber ich glaube, der Führer will Klarheit, was es mit den Äußerungen der Alliierten bezüglich einer bedingungslosen Kapitulation auf sich hat. Er möchte in Erfahrung bringen, ob die Alliierten wirklich keinen Verhandlungsfrieden wollen, und weist sie darauf hin, dass eine solche Forderung, wenn sie denn ernst gemeint wäre, ein Novum in den Annalen der modernen Kriegsführung darstellen würde.«
»Ach so«, sagte Schellenberg, »nichts Wichtiges also.«
Himmler lächelte schmallippig. »Ich kann daran nichts Spaßiges entdecken, Schellenberg, wirklich nicht. Die Zukunft Deutschlands und das Leben von Millionen Menschen könnten vom Inhalt dieser Mappe abhängen. Meinen Sie nicht?«
»Doch, Herr Reichsführer. Verzeihung.«
Oberleutnant Wagner begleitete Schellenberg zur Zahlstelle im Untergeschoss des Ministeriums. Was nicht nötig gewesen wäre.
Schellenberg hatte seine SS-Laufbahn im Innenministerium begonnen und wusste sehr gut, wo die Zahlstelle war. Seine Spesenabrechnungen zu frisieren, war immer schon eines seiner größten Talente gewesen.
»Wie geht es Sturmbannführer Tschierschky, Herr Brigadeführer?«, fragte Wagner. »Hat er noch diesen blauen BMW Roadster? Genau der Wagen, den ich fahren würde, wenn ich mir’s leisten könnte.«
Schellenberg, der sich nicht weiter für Autos interessierte, gab ein unbestimmtes Knurren von sich, während der Kassenbeamte ein ansehnliches Bündel Schwedische Kronen vor ihm auf den Kassentisch zählte. Wagner beäugte das Geld gierig, als 125
Schellenberg es in die immer noch an seinem Handgelenk befestigte Aktentasche warf. Dann schloss Schellenberg die Mappe ab. Wagner brachte ihn zum Hauptportal des Ministeriums.
»Sie waren mit Tschierschky in einer Einsatzgruppe, richtig, Wagner?«
»Jawohl, Herr Brigadeführer.«
»Und davor?«
»War ich Jurist, Herr Brigadeführer. Bei der Kriminalpolizei in München.«
Noch so ein verdammter Jurist. Schellenberg rümpfte angewidert die Nase, als er das Ministerium verließ. Kaum zu fassen, dass er selbst das Medizinstudium aufgegeben hatte, um ausgerechnet Jurist zu werden. Er hasste Juristen. Es war ein Fehler gewesen, alle Juden umbringen zu wollen, wo doch noch so viele Juristen herumliefen.
Er fuhr wieder in seine Wohnung und zog Zivilkleidung an.
Dann warf er ein paar Sachen in eine Reisetasche, steckte seinen Pass ein und ging nach draußen. Bei Loeser und Wolff Ecke Fasanenstraße kaufte er sich zwanzig Jasmatzi-Zigaretten und ein paar Zeitungen für den Flug. Anschließend fuhr er nach Tempelhof, wo Himmlers Maschine schon bereitstand. Es war eine Focke-Wulf 200 Condor, derselbe Flugzeugtyp, den Schellenberg für den Bombenangriff auf die Botschaft in Teheran hatte benutzen wollen.
An Bord übergab er der Besatzung ihre versiegelten Orders und setzte sich dann hin. Er mied den breiten Ledersitz des Reichsführers mit dem eigenen Notausstieg. Im Notfall brauchte derjenige, der darauf saß, nur einen roten Hebel zu ziehen. Unter dem Sitz würde dann hydraulisch eine Klappe geöffnet, durch die er, noch am Sitz festgeschnallt, ins Freie gleiten würde, um dann per Fallschirm zu landen. Doch auf einem Sitz zu sitzen, der aus dem Flugzeug
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