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Der Paladin

Der Paladin

Titel: Der Paladin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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brachte seinen Ordnungssinn durcheinander, und auf einmal schien die ganze Welt voller Geheimnisse zu sein, alte Instinkte erwachten, alte Ängste kehrten zurück.
    Er gelangte zum baufälligen Stall, ging fast im Dunkeln an der Wand entlang und hörte zu seiner Erleichterung, wie sich Jiro an der gegenüberliegenden Wand ruhig bewegte.
    Dann traf etwas neben seinem Kopf den Schuppen; und er ließ sich fallen und rollte sich ab und kroch weiter, wobei seine Muskeln handelten, während sein Verstand begriff, daß ein Pfeil mit ihm in den Staub gefallen war, ein Pfeil mit zerfledderten weißen Federn und einer Bronzespitze.
    Er griff im Dunkeln nach der Stalltür, rollte sich über die Schulter ab und wälzte sich hinein, dann kniete er im Stroh. Jiros ängstliches leises Schnauben bestätigte ihm, daß er selbst die erste und einzige Störung im finsteren Stall darstellte; und er wußte mit absoluter Gewißheit, daß hinter ihm die Luft rein war. Die Bedrohung lag draußen, am Waldrand, im allgegenwärtigen Halbdunkel: dorthin richtete er seinen Blick.
    »Mädchen!« rief er. »Dein Lager ist verdammt noch mal auf der Veranda, wie ich's dir gesagt habe; ich habe mein Wort gehalten. Treib's nicht so weit, daß ich dir weh tue!«
    »Ich komme«, erscholl die Antwort des Mädchens, von weit her aus dem Wald, »wenn Ihr bei Eurer Ehre schwört, daß Ihr mich unterrichten werdet.«
    »Mädchen, jetzt ist aber Schluß mit dem Unsinn. Du hast es auf eine Tracht Prügel angelegt!«
    Schweigen. Ein langes Schweigen aus dem Wald. Er verlagerte seine Haltung auf dem Stroh, entlastete das Bein, welches das Messer eines Attentäters gelähmt hatte, lehnte die Schulter an den rauhen Holzpfosten der Tür und spähte durch die dichter werdende Dunkelheit zum Wald hinüber.
    Abermals dachte er an Feuer, an die Verwundbarkeit all dessen, was er in der Hütte verwahrte.
    Und an Jiro, der ein Ziel darstellte, das nicht einmal diese jämmerlichen Pfeile verfehlen konnten, wenn er sich draußen im Pferch aufhielt.
    Aus geringerer Entfernung hätte der gefiederte Pfeil durchaus töten können.
    Er verfluchte sich, ballte die Fäuste und dachte, er könnte wenigstens den Dreck und das Moos aus den Zwischenräumen der Baumschößlinge lösen, damit er von der rückwärtigen Wand aus das Haus einsehen konnte. Er würde an allen Seiten Löcher machen und die Lichtung so lange im Auge behalten, wie die mondlose Nacht dies zuließ.
    Ihm kam der Gedanke, daß das Mädchen tatsächlich mit Banditen unter einer Decke stecken könnte; oder aber sie war ein Dämon, den er sich nur einbildete.
    Aber eine Verrückte, die mit Bogen und wirren Rachegefühlen im Dunkeln herumlief, reichte schon aus, einem Mann den Schlaf zu rauben.

2
    Shoka änderte seine Haltung auf dem Strohlager, das er an der Stallwand aufgehäuft hatte, und massierte sich das verkrampfte Bein – die ganze Nacht über erging ihm das schon so; er hatte kaum ein Auge zugetan, und die verfluchten Strohhalme stachen ihn durch das lockere Gewebe des Hemds und der Bundhose. Der Boden bestand aus festgetrampelter Erde und stank, auch wenn er den Stall noch so sauber hielt; es war ein feuchtes und unbequemes Bett, auf dem er die Nacht verbrachte.
    Er hatte ein Stück Schnur quer über den Türrahmen gespannt und das andere Ende an einem Eimer befestigt. Er hielt Ausschau nach verschiedenen Richtungen und ließ auch den Berghang hinter der baumlosen, abschüssigen Weide nicht außer acht. Er wußte nicht, mit wieviel Gegnern er es zu tun hatte oder ob es in Wahrheit doch nur ein verrücktes Mädchen war; aber er hatte nicht deshalb so lange gelebt, weil er leichtfertig gewesen war.
    Neun Jahre auf dem Berg hatten ihn gelehrt, sein Mißtrauen abzulegen, nicht gleich bei jedem herabfallenden Blatt eine Hand dahinter zu vermuten, die es abgerissen hatte, und einen Fisch im Bach springen zu lassen, ohne daß er sich versteifte, hatten ihn auf alle die Dinge vorbereitet, welche die Lehren seines Vaters in ihm angelegt hatten, mit Körper und Geist. Immer mit der Ruhe, hatte er sich Jahr für Jahr gesagt, atme den Wind, laß die Blätter fallen, die Jahreszeiten wechseln und leg dein altes Leben ab.
    Dies war schon die ganze Weisheit, die er auf dem Berg gelernt hatte, die einfache Kunst, nachts fest zu schlafen, ohne irgendwelche Fallen vorbereitet zu haben, die Selbstverständlichkeit, die nötig war, um unbewaffnet zum Brunnen zu gehen, einen Fuchsbau zu beobachten, ohne Sattel auf dem alten

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