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Der Paladin

Der Paladin

Titel: Der Paladin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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Jiro zu reiten und auf der unteren Weide auf dem Rücken liegend zu dösen, während Pferd und Reiter die Sonne, den Sommer und den Geruch des sonnenwarmen Grases genossen.
    Und nun saß er mit dem Schwert auf dem Schoß im Dunkeln, während ihm das Stroh durch die Kleider stach und die Feuchtigkeit seine vierzig Jahre alten Glieder plagte. Mehr noch: Seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt, und im Bauch verspürte er die alte Bangigkeit, das Gehirn nahm jede Einzelheit der Umgebung und jedes Geräusch wahr.
    Wie in alten Zeiten.
    Alles, was er vierzig Jahre lang hatte vergessen wollen, war wieder wach.
    Dieses verfluchte Mädchen – das dadurch, daß es nichts tat, alles richtig machte: während andere, die es auf ihn abgesehen hatten, dadurch, daß sie
etwas
getan hatten,
nichts
erreicht hatten, sondern leichte Beute geworden waren.
    Er wartete und beobachtete abwechselnd das Haus und die Lichtung, den Wald und die Weide. Nichts rührte sich, und Jiro schlug keinen Alarm, sondern bewegte sich nur leise im Stall.
    In der Stunde vor Tagesanbruch waren seine Befürchtungen am größten, und er rieb sich die Augen und suchte die Schatten im Stall nach kleinen Bewegungen ab. Ihm gefror das Blut im Leibe bei dem Gedanken – der ihn die ganze Nacht über begleitet hatte –, daß die närrische Kleine, wenn sie es denn auf sein Leben abgesehen hatte, nur den Wald anzuzünden und ihm am Weg aufzulauern brauchte. Wenn sie das täte und es klug anstellte, indem sie an mehreren Stellen der Lichtung Feuer legte, wäre es ein leichtes, ihn und Jiro an einer wurzelüberwachsenen Engstelle des Weges zu überwältigen; wenn sie dies täte, dann kannten seine Feinde auch den einzigen Weg nach unten, und Bogenschützen konnten im Hinterhalt lauern.
    Er hatte schon schlimmere Situationen erlebt, die Möglichkeit eingeschlossen, daß sie den Wald in Brand setzen könnte; er mußte jedoch lange überlegen, bis ihm eine peinlichere einfiel, als von einem sechzehnjährigen Bauernmädchen eingesperrt worden zu sein. Während die Sonne aufging, kämpfte er gegen die Müdigkeit an, überlegte, ob er irgendeine Möglichkeit übersehen hatte; und auf welchen Wegen sich Banditen oder Ghitas Männer angeschlichen haben mochten und wo sie einen Hinterhalt legen konnten.
    Als es schließlich so hell geworden war, daß das Grün der Bäume hervortrat und sich die Schatten um den Stall zerstreuten, erhob er sich, gab Jiro einen Eimer Getreide und holte Wasser vom Regenfaß, wobei er ständig den Wald im Auge behielt und das Gefühl nicht loswurde, ein weiterer Pfeil könne auf ihn abgeschossen werden.
    Jiro wollte aus dem Stall hinaus und trat gegen die Bretter, begierig darauf, an diesem schönen klaren Morgen in den Pferch zu kommen.
    »Ich weiß«, sagte er zum Pferd, redete ihm gut zu und tätschelte ihm den Hals. »Geduld, Geduld.«
    Bloß nichts auf die leichte Schulter nehmen, dachte er. Er kam sich ungeschützt vor, als er durch die Morgenkühle zur Hütte humpelte – leichtsinnigerweise gemächlichen Schritts, da er das Gefühl hatte, sich schon die ganze Nacht über zum Narren gemacht zu haben, und da er meinte, jetzt, da es hell war, die Flugbahn eines Pfeils berechnen zu können: es war gefährlich, doch von jeder möglichen Stelle des Waldes aus würde es einem Pfeil an Durchschlagskraft mangeln. Wenn jemand bei ihr war, dann hatten sie im Dunkeln, als die Gelegenheit am günstigsten gewesen war, nichts unternommen, und inzwischen glaubte er nicht mehr, daß es sich um Banditen handelte: bis Tagesanbruch zu warten, wenn sie bei Nacht hätten aktiv werden können, entsprach nicht ihren Gewohnheiten; und Ghitas Mordbuben hätten sich ebenfalls anders verhalten.
    Nein, wahrscheinlich war das Mädchen allein, vor dem er sich zum Narren machte und dem er heute morgen eine wehe Hüfte und eine schmerzende Schulter verdankte.
    Ein Mädchen, das vielleicht verrückt genug war, um es auf die Spitze zu treiben.
    Aber mit dem Bogen müßte Taizu schon näher herankommen. Es sei denn, sie war in die Hütte gegangen.
    Er betrat die Veranda von der Seite her, ging bis zur Tür und stahl sich blitzschnell am Türpfosten vorbei ins Zimmer.
    Leer. Nichts wirkte durcheinandergebracht. Er lehnte sich an die Wand und musterte seine Sachen, ob irgend etwas fehlte oder verändert war; und dachte an Gift und an seine Vorräte, an denen er einmal, vor Jahren, Schutzsiegel angebracht hatte; und er überlegte voller Argwohn, was eine Wahnsinnige in einem

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