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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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meisten unserer Jungs hatten eine Freundin, und manchmal wurde aus der Freundin eine Ehefrau. Bisweilen hatten die Eltern etwas dagegen, machten ein Gewese wegen des Berufs des Jungen, aber letzten Endes willigten sie immer ein: Schließlich verdiente der Junge Geld, und zwar gutes Geld. »Ja«, sagte ich mürrisch. »Zu einer Braut kann Geld einem verhelfen. Das zumindest kann es.«
    »Kommt jemand für eine Liebesheirat in Frage?« erkundigte sich Paritosh Shah mit der Zufriedenheit eines Schachspielers, der kurz davor ist, den Gegner matt zu setzen.
    »Nein.« Ich hatte jede Menge Frauen - Barmädchen, Huren, Möchtegern-Schauspielerinnen. Aber gewiß niemanden zum Heiraten.
    »Weis mich nicht ab, Bhai«, sagte er. »Du bist damals zu mir gekommen und hast mich um etwas gebeten. Und ich konnte dir nicht geben, was du wolltest. Aber sag heute nicht nein zu mir. Ich bitte dich um etwas. Sag ja, Bhai.«
    Ich erkannte in diesem Moment, daß wir zeitlebens in den Beziehungen gefangen sind, die uns, so unsichtbar und unentrinnbar wie die Schwerkraft, umstricken und aneinander-binden. Aus diesem Netz gibt es kein Entrinnen. Ich war allein in diese Stadt gekommen, um allein zu sein, aber mein Alleinsein war eine Illusion, eine Geschichte, die ich mir selbst erzählt hatte, um mich von meiner Stärke zu überzeugen. Ich hatte eine Familie gefunden, eine Familie hatte mich gefunden. Paritosh Shah war mein Freund, und er war meine Familie. All die anderen, Chhota Badriya und Kanta Bai und meine Jungs, waren meine Familie. Ich gehörte dieser Familie an, und nun wollten die anderen, daß ich heiratete. Ich konnte nicht gegen sie ankämpfen. Ich war besiegt. Ich nickte. »Na gut, ich werde tun, was du willst.«

    Während wir nach einem Mädchen Ausschau hielten, gerieten wir in einen Krieg. Paritosh Shah wollte mein Horoskop haben, er wollte Informationen über meine Eltern, über meinen Gotra 242 , über mein Dorf - »Nur wenn man die Vergangenheit eines Mannes kennt«, sagte er, »kann man seine Zukunft regeln.« Worauf ich erwiderte: »Vergiß das alles. Ich habe nichts von alldem. Was ich habe, ist Geld. Die Vergangenheit ist vorbei. Die Zukunft ist die Zukunft, und nur um die geht es.« Ich glaubte damals, alles, was man will, sei möglich: jede beliebige Zukunft - ohne Vergangenheit. Aber Paritosh Shah, dieser Fettsack, dieser aalglatte, intrigante Gujarati, dieser treue Freund, sah mich an, als wäre ich verrückt, und dann erfand er mir eine Vergangenheit. Er ließ ein Horoskop für mich anfertigen, eine lange Schriftrolle, die sich über die ganze Breite des Zimmers erstreckte, mit Sternen, verborgenen Verheißungen, zinnoberrotem Sanskrit und allem, was das Herz begehrt. »Perfekt darf es allerdings nicht sein«, sagte er. »Sonst glaubt das kein Papa.« Deshalb hatte ich, Paritosh Shah zufolge, in meiner frühen Jugend schlechte Zeiten erlebt, Armut und Gefahr, und wegen eines Saturntransits wäre ich fast gestorben, doch ich war dieser unvermeidlichen Unbill Herr geworden, hatte durch meinen starken Willen und meinen unbeirrbaren Glauben an Krishna-Maharaji das Schicksal bezwungen, durch die Energie meiner unzähligen Gebete meine Geschicke gewendet. Auch das erfand er, das alles, meine täglichen gottesfürchtigen Pujas, meinen Tempelbau, meine Liebe zu Krishna. »Das ist gute Publicity, Bhai«, sagte er. »Also gib deine gottlose Lebensweise auf, so was gefällt niemandem. Die Leute werden dich für einen Kommunisten halten - und deine Kinder werden eh in einem ordentlichen, gottesfürchtigen Haushalt aufwachsen müssen.« Sein speziell für mich bestelltes Horoskop prophezeite mir viele Söhne und ein oder zwei Töchter sowie ein langes Leben mit einem ständigen Zuwachs an Macht, Bedeutung und Stabilität. Nur ein oder zwei Krankheitsphasen wurden vorausgesehen, wie Schönheitsflecke auf einem perfekten Gesicht, und selbst die würden durch das Tragen der richtigen Steine leicht überwunden werden. Paritosh Shah rollte das Horoskop geübt mit einer schnellen Bewegung von Zeigefingern und Daumen zusammen, so daß seine Unterarme schwabbelten, und lächelte mich an. »Du bist ein sehr begehrenswerter Mann. Wart's nur ab, die Kandidatinnen werden Schlange stehen.«
    Ich hatte da meine Zweifel. Wir mochten die Planeten dazu gebracht haben, meine Zukunft in ein goldenes Licht zu tauchen, aber es war eine unumstößliche Tatsache, daß Menschen von meiner Hand gestorben waren. Die Presse nannte mich »Gangsterboß

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