Der Pate von Bombay
vier Wochen später war Masood dann eines späten Abends bei Khot, der in der Nähe von Golghat wohnte, vorbeigekommen - ganz spontan, er sei zufällig in der Gegend gewesen - und hatte sich zum Abendessen eingeladen; er hatte um all die traditionellen Gerichte aus Konkan gebeten, die Khots Frau kochen konnte, und dann genußvoll festgestellt, daß sie genau wie bei seiner Mutter schmeckten. Diesem Abendessen waren Anrufe und Geschenke gefolgt, Uhren und Whisky, aber kein persönlicher Kontakt mehr. Khot war nicht naiv, er wußte schon seit dem ersten Schluck Tee bei ihrem ersten Treffen, was gespielt wurde, warum sich Masood Meetha nach all den Jahren plötzlich an ihn erinnert hatte. Und als dann die Organisation meiner Lieferung anstand, meiner Vierzig-Lakh-Lieferung, griff Khot selbst zum Telefon und rief Masood Meetha an: »Bhai, wollen wir etwas essen gehen?« Er erzählte uns das alles unter Tränen.
»Bringt ihn um«, befahl ich. Ich wandte mich ab und ging, und noch bevor ich die Treppe zur Hintertür erreicht hatte, war es erledigt. Zwei dumpfe Schläge, und Khot war hinüber. Chhota Badriya folgte mir ins Haus, und ich hörte das Klicken des Sicherungshebels, bevor er sich die Glock wieder unters Hemd schob. »Schafft die Leiche noch nicht weg«, sagte ich. »Wir lassen sie morgen Suleiman zukommen. Danach.«
»Danach«, wiederholte er grinsend. Also machten wir uns an die Arbeit. Wir hatten schon Vorbereitungen getroffen. Wir hatten unsere Listen, unsere handgezeichneten Karten, unsere Informationen. Und so gingen wir in Stellung. Am nächsten Tag zwischen acht Uhr morgens und vier Uhr nachmittags töteten wir Vinay Shukla, Salim Sheikh, Syed Munir, Munna, Zahed Mechanic und Praful Bidaye. Am Abend brachte Samant dann Azam Lamboo und Pankaj Kamath zur Strecke, was ihm eine ausführliche Berichterstattung in der Presse - »Schrecken der Unterwelt erschießt Suleimans beste Scharfschützen« - sowie drei Lakhs von mir einbrachte. Und in der folgenden Nacht, genauer gesagt, morgens um halb fünf, hielt ein Auto an einer Straßenecke beim Imperial Hotel in Dongri, und Khot glitt auf den Bürgersteig, den Kopf mit einem verkrusteten Handtuch umwickelt. So zeigten wir ihnen, wer wir waren. Wir schrieben unsere Antwort mit Blut.
Ich wollte Suleimans Kopf, wollte ihn herumkicken wie einen Fußball. Aber Suleiman lebte im sicheren Dubai, seit die Pathans seinen Bruder umgebracht hatten und er viele von ihnen getötet hatte. Bombay war ein zu gefährliches Pflaster für ihn geworden, also war er geflohen, der Bhadve, aber über Masood Meetha und andere führte er in der Stadt immer noch seine Operationen durch. Wir waren auf ihren Angriff gefaßt - wir warteten einen Tag, und dann kam er. Drei von unseren Jungs wurden überfallen, als sie in Malad das Haus von Verwandten verließen. Sie waren tot, bevor sie die Pistole hätten ziehen können. Ajay Kumble, Noble Lobo, Amir Kenkda. Am nächsten Tag lauerten uns Parulkars Inspektoren auf dem Darya Mahal Bazaar auf, wo die Händler schon ihr wöchentliches Schutzgeld für uns parat hielten. Die Polizisten, von Majid, dem Muchchad, angeführt, waren als Arbeiter verkleidet. Ohne Vorwarnung gaben sie vierunddreißig Schüsse ab. Vinay Karmarkar, Shailendra Pawar, Ziauddin Qazalbash.
Und so kämpften wir den ganzen Sommer und in den Monsunregen hinein gegen Suleiman Isa. Wenn wir unsere Leichen aus dem Leichenschauhaus abholten und sie durch die weißen Sturzbäche trugen, schien es, als hätten wir schon immer gekämpft, als hätte es diesen Krieg seit jeher gegeben. Sie schadeten uns, aber sie konnten uns nicht vernichten. Und wir zerfraßen sie, bluteten sie mit jedem Tag weiter aus. Unterdessen hatten Paritosh Shahs Rajhans Airlines den Flugbetrieb aufgenommen, und er ließ sich Haar implantieren, weil er fand, daß er im Fernsehen zu alt aussah, und hielt mir jeden Tag Vorträge über die Macht von Dandi-Swami. »Du hast doch gesehen, wie er auf deine Not reagiert hat. Du hast gebeten, und er hat gegeben. Wie kannst du da nicht glauben?« Ich war durchaus versucht zu glauben. Aber ich hatte schon früh in meinem Leben erkannt, daß der Glaube eine innere Fäulnis war, die einen Mann aushöhlt und zum Eunuchen macht. Ich wußte, daß der Glaube eine willkommene Krücke für Schwächlinge und Angsthasen war. Nein, diese Krankheit wollte ich nicht in mir haben.
Also widerstand ich, erklärte mir alles mit dem Zufall - daß wir die entscheidende Information während
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