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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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ihn nicht. Du kannst ihn gar nicht lieben. Sie schrie. Und ich war so wütend. Weil meine Schwester das sagte. Weil meine Schwester und mein Mann das getan hatten. Raus, sagte ich zu ihr. Geh.«
    »Und dann?«
    »Er ging mit ihr. Zwei Tage später kam er noch einmal zurück, um ihre und seine Sachen zu holen.«
    »Ja.«
    »Dann wurden wir geschieden. Es war alles sehr schwierig. Ich konnte die Miete nicht mehr zahlen. Ich versuchte in einem Frauenwohnheim unterzukommen, aber da war kein Platz. Eine Zeitlang wohnte ich bei der YWCA 678 , dann mußte ich in einen Slum, in Bandra East. Ich habe alle möglichen Unterkünfte kennengelernt.«
    »Nach Hause zurück wollten Sie nicht?«
    »Zu meiner Mutter? In das Haus, in dem ich aufgewachsen war, mit Jojo? Nein, da konnte ich nicht mehr leben. Ich konnte nicht zurück.«
    Selbst ein Slum war besser gewesen als das Zuhause, das sie so weit hinter sich gelassen hatte. »Sie haben jetzt eine schöne Wohnung«, sagte Sartaj.
    »Das hat lange gedauert. Am Anfang habe ich in dem Salon die Haare aufgefegt und Scheren und Kämme gesäubert.«
    »Haben Sie Jojo noch einmal wiedergesehen?«
    »Zwei-, dreimal. Man muß zu einer Beratung, bevor man geschieden wird. Sie hat ihn dort abgeholt. Ich habe nicht mit ihr geredet. Das nächste Mal habe ich sie gesehen, als der Richter die Scheidung ausgesprochen hat.«
    »Und danach?«
    »Ein paarmal habe ich noch von den beiden gehört, über Verwandte und Freunde. Sie wohnten in Goregaon und versuchten immer noch, Jojo beim Film oder sonstwo unterzubringen. Einmal habe ich sie im Fernsehen gesehen, in einer Sariwerbung. Das war alles.«
    »Sie haben nie mehr mit ihr geredet?«
    »Nein. Meine Mutter war auch sehr böse auf sie. Ma war krank, und Jojo wollte Kontakt mit ihr aufnehmen, aber Ma sagte nein, sie wolle nicht mit ihr sprechen, Jojo sei ein sündiges, schamloses Mädchen. Sie starb, ohne noch einmal mit Jojo geredet zu haben. Und ich wollte eigentlich auch nichts mehr von Jojo wissen.«
    »Dann haben Sie nie mehr irgend etwas von ihr gehört?«
    »Doch, einmal. Vor zwei oder drei Jahren. Ich habe eine Tante in Bangalore, eine Schwester meiner Mutter. Die hatte Jojo am Flughafen gesehen.«
    »Hat sie mit ihr gesprochen?«
    »Nein. Sie wußte, was Jojo getan hatte.«
    »Ist Jojo irgendwohin geflogen?«
    »Ja. Anscheinend hatte sie Geld. Woher, weiß ich nicht. Ich weiß nichts von ihr. Keine Ahnung, was mit ihr passiert ist.«
    Was mit ihr passiert war. Wie ein ehrgeiziger, liebeskranker Teenager zur Mädchenhändlerin wurde, wie sie dann endete, ermordet von einem selbstmörderischen Bhai. Sartaj konnte ihn sich vorstellen, den Abstieg von den Filmi-Partys in alle möglichen Unterwelten. »Wir haben auch nur wenige Informationen über sie«, sagte er. »Sie hat fürs Fernsehen gearbeitet, hat Shows produziert. Und es gab noch andere Aktivitäten.«
    »Was für Aktivitäten?«
    »Da ermitteln wir noch. Wenn wir mehr wissen, gebe ich Ihnen Bescheid. Und wenn Sie selbst irgend etwas hören, egal was, rufen Sie mich bitte an.« Das wird sie auch tun, dachte Sartaj. Sie setzte jetzt gewisse Hoffnungen auf ihn. Vielleicht konnte sie aus diesen Splittern, diesen Fragmenten ihre Schwester rekonstruieren und ihr und auch sich selbst vergeben. »Ich bin froh, daß Sie mit mir geredet haben«, sagte er.
    »Sie war ein liebes Mädchen«, sagte Mary. »Als wir klein waren, hatte sie Angst vor Gewittern. Sie kroch spätnachts im Bett zu mir herüber, drückte ihren Kopf in meinen Bauch und schlief wieder ein.«
    Sartaj nickte. Daß Jojo auch das ängstliche kleine Mädchen gewesen war, das sich an seine Schwester klammerte, war gut zu wissen. Er fuhr Mary nach Hause. Vom Auto aus sah er ihr nach, wie sie die Treppe zu ihrer Wohnung hinaufstieg. Das Licht ging an, und er fuhr rückwärts wieder auf die Hauptstraße hinaus. Auf der Heimfahrt, als er nach links zum Chowpatty abbog, fing es an zu regnen.

    Als Sartaj gerade sein Abendessen - Afghan chicken und Tandoori roti - verzehrte, das er sich bei dem Sardar in seiner Straße geholt hatte, rief Iffat-bibi an. »Ich hab die Antwort, Saab.«
    »Und zwar?«
    »Bunty ist von zwei Killern umgebracht worden.«
    »In wessen Auftrag?«
    »In niemandes Auftrag. Es war eine persönliche Sache. Bunty hat einem von ihnen vor drei, vier Jahren die Freundin ausgespannt.«
    »Ausgespannt?«
    »Buntys Geld war ihr wichtiger als der Killer.«
    Also war Bunty wegen einer Frau gestorben. Es war weder um Land oder

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