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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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Platz, beugt sich vor, stützt die Ellenbogen auf den Tisch. Seine Hände sind weiß, und K. D. sieht, daß die Fingernägel makellos sauber sind. Aber er sieht müde aus, dieser Nehru. Seine Augäpfel sind gelblich, die Wangen aufgedunsen. Es ist der 18. Februar 1963. »Meine Herren, Sie haben alle die Krise miterlebt, die Indien kürzlich zu bewältigen hatte. Wir leben in gefährlichen, in krisenhaften Zeiten. Die Grenzen unseres Landes wurden verletzt, und unser Vertrauen ist erschüttert worden. Und zwar ausgerechnet von den Chinesen, die wir für unsere Freunde gehalten haben. Wir müssen dafür sorgen, daß so etwas nie wieder geschieht. Daher muß unser Land seine jungen Männer heranziehen, die besten und klügsten. Wenn ich Sie betrachte, sehe ich in Ihren Gesichtern das heilige Licht einer uralten Vergangenheit, und das erfüllt mich mit Zuversicht. Ich fordere viel von Ihnen. Ihr Land wird Ihnen bei Ihrer Arbeit das Unmögliche abverlangen. Aber Sie müssen durchhalten. Unsere Zukunft ruht auf Ihren Schultern. Ich vertraue auf Ihre Kraft und Ihr unerschütterliches Pflichtbewußtsein. Jai Hind.« Er steht abrupt auf und schüttelt dem Mann zu seiner Linken die Hand. Und dann dem nächsten. Während K. D. darauf wartet, daß er an die Reihe kommt, hat er Zeit, Nehru zu beobachten. Ihm wird bewußt, daß er schwer atmet, als wäre er gerade einen Kilometer gesprintet. Als er an der Reihe ist, streckt ihm Nehru die Hand hin und sagt etwas. K. D. ist verdutzt: »Sir?« Nehru greift schon nach der nächsten Hand, doch er sagt - ohne K. D. anzusehen - noch einmal: »Tu dein Bestes, mein Sohn.« In seiner Stimme schwingt ein Hauch von Ärger mit, weil er sich wiederholen muß, doch K. D. bedeuten diese Worte viel, und er stellt fest, daß Nehru zu niemand anderem etwas sagt, nicht einmal zu dem Professor. Nehru geht, die Flügeltür schließt sich hinter ihm. Nehru hat nur mit K. D. gesprochen, nur mit ihm.
    Der Professor bedeutet ihnen, sich wieder zu setzen. »Meine Herren«, sagt er. »Wie der Premierminister eben erklärte, sind Sie ausgewählt worden, weil Sie die Besten sind. Willkommen in unserer Organisation.« Es stellt sich heraus, daß der Professor gar kein Professor ist, sondern Additional Commissioner im Intelligence Bureau, dem, wie er ihnen mitteilt, ältesten Geheimdienst der Welt. Und wenn sie sich entschlössen, die Papiere zu unterzeichnen, würden auch sie zu Mitgliedern, Arbeitern, Soldaten dieser altehrwürdigen Organisation werden. Sie unterschreiben alle begierig, von Nehrus Auftritt noch ganz benommen.
    Später am Vormittag feiern sie zu fünft bei Yusuf im Chowk Bazaar, wo Jagdeep Mathur sie hingeführt hat, einer aus ihrem Kreis, der in Lucknow aufgewachsen ist. Sie essen Kakori Kebabs, ihm zufolge die besten in ganz Lucknow, und unterhalten sich über Nehrus magisches Erscheinen in ihrer Mitte. Mathur macht Nehru für das erst kürzlich erlittene Debakel im Himalaja verantwortlich, für die vielen Niederlagen und all die Toten, und K. D. kann nicht umhin, ihm zuzustimmen. Trotzdem hört er sich den Idealismus des alten Mannes verteidigen, dessen Glauben an eine von Rationalität bestimmte friedliche Zukunft.
    »K. D., Yaar«, sagt Mathur, »du bist genau wie meine Mutter. Die läßt sich immer darüber aus, wie verdammt gut Pandit-ji doch aussieht, daß er nur das Beste will, daß Gandhi-ji ihn wie einen verdammten Sohn geliebt hat und was Nehru doch für ein guter Mensch ist. Ich finde, wir sollten keinen guten Menschen zum Premierminister haben. Gute Menschen sind meistens Dummköpfe. Für gute Menschen bezahlen andere mit dem Leben. Und da wir in einer Welt leben, in der es die verdammten Chinesen, die verdammten Amerikaner und die verdammten Pakistanis gibt, brauchen wir keine guten Menschen, sondern Menschen, die Kakori Kebabs essen und dicke Stöcke bei sich tragen.«
    K. D. nickt und sagt: »Dicke Lathis, um genau zu sein.«
    Mathur lacht, er hat ein eckiges Gesicht mit schweren, kantigen Kieferknochen, ist mit seiner hellen Haut und seinen hellbraunen Augen jedoch ausgesprochen attraktiv. K. D. findet, daß er wie ein typischer Lucknower Brahmane aussieht, und er weiß, daß Mathur wiederum K. D.s Nachnamen sofort registriert hat und ihn womöglich in eine für Yadavs und andere niedrige Kasten reservierte Schublade gesteckt hat - wie es zweifellos all seine anderen neuen Kollegen auch getan haben. K. D. ist gleich aufgefallen, daß diese sehr alte Organisation, genau wie

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