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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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sich immer wieder, sonst explodierte der Schädel im Feuer, aber er merkte, wie es in seinem Magen zu rumoren begann. Jemand - Parulkar - faßte ihn am Arm, und er trat mit den anderen Männern drei, vier, fünf Schritte zurück. Dennoch vernahm er das Krachen des aufbrechenden Schädels, und nun war Katekar zum Himmel hin offen, vollständig offen. Sein Sohn beugte sich mit dem brennenden Span in der Hand vor. Etwas regte sich in dem Scheiterhaufen, eine Serie schneller kleiner Erschütterungen. Zarter Duft nach Ghee 225 stieg auf, dieser Kindheitsgeruch von Hochzeiten und anderen Festen. Dann erfaßte das Feuer fauchend das Holz, den Leichnam, Katekar. Und dann war alles in Bewegung, alles sprang und hüpfte, und die Hitze strich Sartaj übers Gesicht. Er schaute ins Feuer und wandte den Blick nicht ab.

    Nachdem Verwandte und Freunde gegangen waren, nachdem die Asche abgekühlt war, nachdem man sie eingesammelt, nach Hause gebracht und in einem tönernen Gefäß neben die Tür gehängt hatte, nach alldem ging Sartaj nach Hause. Es war Whisky da, eine fast volle Flasche, und Sartaj holte sie und stellte sie mit einer Flasche Wasser auf den Couchtisch, doch als er sich eingeschenkt hatte, mußte er von dem Geruch würgen. Er schloß die Augen und legte sich aufs Sofa. Katekar war tot, der Mörder war tot, die Freunde des Mörders waren tot, alles war vorbei. Nichts mehr zu machen, niemand mehr zu verfolgen. Katekars Tod war ein Mord, ein Unfall, ein Schicksalsschlag. Es war eine simple Geschichte, wie Katekar und andere sie erzählt hätten: drei Apradhis in die Enge getrieben, wir hätten sofort schießen müssen, aber es war Sartajs Einsatz, Katekar war zu nahe dran, und deswegen starb er. Fall abgeschlossen. So was kommt vor in diesem Job. Trotzdem konnte sich Sartaj nicht damit abfinden, wie die Sache gelaufen war, mit ihrer Eindeutigkeit, ihrer Schnelligkeit, ihrem Ende. Fragen bedrängten ihn: Wo liegt Bangladesh, was ist es? Wo liegt Bihar? Wie können drei Männer Tausende von Kilometern in eine Stadt reisen, in eine bestimmte Straße, zu einem Polizisten, der unter einem Karren auf sie wartet? Wir sind Trümmer, dachte Sartaj, wahllos umhergeworfen, aufeinanderprallend, so daß einer des anderen Leben zerschmettert. Sartaj öffnete die Augen. Das Zimmer war noch dasselbe, er kannte das Dunkel draußen, kannte es aus tausend Nächten. Dies war sein Winkel der Welt, sicher und vertraut.
    Warum mußte Katekar sterben?

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    Exkurs:
Das große Spiel

    » Z weck, Bedeutung, Intention und Methode der geheimdienstlichen Arbeit bestehen darin, Muster zu erkennen.« Die Studenten harren gespannt der Offenbarung, die ihnen grundlegenden Einblick verschaffen, sie wappnen wird, damit sie überleben und triumphieren können. »Eine Methodik, eine innere Ordnung, einen Plan erspüren zu können ist die größte Begabung, die man als Nachrichtenoffizier besitzen kann«, verkündet K. D. Yadav mit erhobener, den ganzen Raum erfüllender Stimme. »Das geflügelte Wort bei uns lautet: Beim ersten Mal ist es Zufall, beim zweiten Mal eine Koinzidenz, beim dritten Mal eine Aktion des Feindes. Denken Sie daran. Wenn Sie die Verbindungslinien zwischen den Fakten sehen, wenn Sie erkennen, welche Gestalt sie bilden, wenn Sie die Geschichte hören, die sie Ihnen erzählen, dann werden Sie gewinnen. Ein Soldat auf Patrouille bemerkt einen Fußabdruck auf einem Grat im Karakorum, ein Agent in Brüssel erwähnt in einem Bericht den Verkauf vieler Kilometer verstärkter Fernmeldekabel. Wer darin eine Bedeutung sieht, meine Herren, hat gewonnen.« K. D. sagt »meine Herren«, aber in der ersten Reihe lauscht auch eine Frau seinen Worten, ein Mädchen. Er kennt sie schon seit Jahren, hat zugesehen, wie sie vom Kind zur ernsten jungen Frau herangewachsen ist, und es war eine der großen Freuden seines Lebens, zu beobachten, wie sich jenes bereits durchaus individuelle Wesen, das aus dem Kinderwagen zu ihm emporschaute, zu der beherrschten, unabhängigen jungen Frau entwickelt hat, die jetzt vor ihm sitzt. Er denkt gern, daß er in diesem Entwicklungsprozeß eine Rolle gespielt, sie in ihrem Mut bestärkt hat. Aber wie heißt sie bloß? Wie kann es sein, daß er ihren Namen nicht weiß? Wie kann er ihn vergessen haben, wo er diesen Namen doch jahrelang, jahrzehntelang immer wieder ausgesprochen hat?
    Und dann weiß er es. Er begreift, wie er den Namen vergessen konnte. Er hat ihn nicht in Safdarjung vergessen, in jenem verborgenen

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