Der Pate von Bombay
ganzen weiten Weg von Kalkutta hier hoch gekommen, über eine Kette persönlicher Bitten und eingeforderter Gefälligkeiten. Nun spielen sie also. Thangrikhuma ist am Ball, er ist klein, kompakt und sehr flink, schlüpft jetzt zwischen einem halben Dutzend Verteidigern hindurch, gebeugt und mit einem so raschen Seitenschritt, daß man meinen könnte, nur das Flimmern eines Films gesehen zu haben. K. D. stößt einen lauten, anerkennenden Ruf aus und läuft ihm nach. Thangrikhuma ist schnell, unglaublich schnell. Er weiß, daß K. D. ihm auf den Fersen ist, doch es kümmert ihn nicht, er grinst. K. D. läuft, so schnell er kann. Das Tal ist grün und grau, weiße Wattewolken stehen am Himmel. Thangrikhuma rennt. Dann ist Marak, der Subedar, zur Stelle, nicht weit vom Torwart und den beiden Holzstöcken, die das Tor markieren. Marak ist alt und langsam, er hält sich stets in der Nähe des Tors und ist so in kritischen Momenten da. Er ist erfahren. Er wartet ab. Thangrikhuma tänzelt, täuscht an, fordert ihn heraus. Marak greift jetzt an, er grätscht, unser gerissener Marak. Er erwischt Thangrikhuma nicht, streckt jedoch im Fallen eine zielsichere Hand hinter sich aus und packt ein Stück Stoff, und Thangrikhuma geht zu Boden. Foul, Foul, aber hier spielen echte Männer, und es ist zu spät, Foul zu schreien, K. D. hat den Ball und treibt ihn zurück auf feindliches Terrain. Seine Jungs sind an seiner Seite, rempeln die Verteidiger weg, K. D. hat jetzt Tempo drauf, und was für ein Tempo, er freut sich über den hübsch vorwärts springenden Ball, der ihm förmlich am Spann klebt, er hat ihn voll unter Kontrolle, dribbelt locker an Rastogi vorbei, an dessen Keuchen und fliegenden Schweißtropfen, und dann hat er sich freigespielt und läuft ungehindert nach vorn, er hört DaCunha zu seiner Linken, rechts hält Ginzanang Dowara mit, und der aufspringende Ball leuchtet weiß und schwarz, K. D.s Brust tut weh, er ist glücklich, spürt die kalte Luft in seiner Kehle, und vor ihm ist das Tor.
K. D. wacht weinend auf. Seine Ferse brennt. Vor langer Zeit, als er mit Chunder Ghosh auf dem nackten Lehmboden einer Hütte saß, barfuß und im Schneidersitz, hat ihn ein Insekt in die linke Ferse gestochen. Daran erinnert er sich jetzt, er erinnert sich, wie er mit dem Daumen über die schmerzende rote Stelle rieb und wie Chunder Ghosh für einen Augenblick seine Fragerei unterbrach und den Stich neugierig beäugte. K. D. erinnert sich, und ein Schluchzen schüttelt ihn am ganzen Körper. Anjali bewegt sich auf ihrer Liege, und K. D. versucht seine Zuckungen zu unterdrücken, sie abzustellen. Die Männer und Frauen, um die er weint, sind heute zum größten Teil tot, aber er weint um ihr Leben, um die Kürze ihres Kampfes, um ihre kurzen Qualen und Freuden. Er weint um das Brennen ihrer Insektenstiche, das flüchtige Aufflammen ihrer Begierden.
»Was ist los, Onkel? Soll ich eine Schwester holen? Hast du Schmerzen?«
Im hellen Licht der Glühbirne beugt sich Anjali über ihn. Er schüttelt den Kopf und greift nach ihrer Hand. Er verspürt keinerlei Angst, jedenfalls nicht um sich selbst. Doch er findet keine Worte für das immense Mitgefühl, das seinen Körper erhitzt. Sein versagender Verstand registriert Angst um Anjali, um das Leben, das diese starke junge Frau durchströmt, die ihn in den Armen hält. Sie wertschätzt ihr Leben, sie hängt daran, und ihren Kollegen, ihren Freunden, ihrer Familie geht es genauso. Ich muß ihr helfen, denkt K. D. Ich muß. Er hält Rückschau in sein Leben, denkt an alles, dessen er sich entsinnt, und nun, da er nachdenkt und ein Ziel hat, hört das Zittern auf. Er liegt ruhig in Anjalis Armen und denkt nach. Er verspürt jetzt seine alte Freude am Denken, und die Informationen fließen in verschlungenen Strömen, reich an Farben und Bildern und Gerüchen. Sie fließen, und er schwimmt darin und wendet sich hierhin und dahin, bringt dies und das und anderes zusammen, und ihm ist, als bewegte er sich in einem Kaleidoskop. Als draußen der Morgen graut, regt er sich. »Das Geld in Gaitondes Bunker«, sagt er.
Anjali, die am Kopfbrett des Bettes lehnt, erwacht aus ihrem Schlummer. »Was?« fragt sie.
»Das Geld, das in Gaitondes Bunker lag. Du hast etwas über die Verpackung gesagt.«
»Die Bündel waren in durchsichtiger Plastikfolie verpackt. So wie manchmal Spielzeug oder Schokolade.«
»Immer fünf Bündel? Ungefähr so ein Stapel?«
Sie schaut auf die Form, die er mit den Händen
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