Der Pate von Bombay
andeutet, auf die Leere, die er umschreibt. Das frühe Morgenlicht glitzert in winzigen Lichtpunkten in ihren Augen. »Ja«, sagt sie.
»Ich möchte das Geld sehen.«
Sie läuft durchs Zimmer zu ihrem Handy, und er setzt sich auf, während sie mit raschem Klicken wählt. Sie rattert Anweisungen herunter und kommt wieder. »Es ist unterwegs«, sagt sie.
Doch sie wissen beide, daß es eine Weile dauern kann, die Bürokratie innerhalb der Organisation zu überwinden, Leute zu wecken, Genehmigungen erteilt und Safes geöffnet zu bekommen. K. D. hat womöglich nicht mehr so viel Zeit, droht zu vergessen. Also bittet er sie, sich zu ihm zu setzen, und spricht mit ihr, solange er noch Zugriff auf die Fakten hat. Er erzählt ihr, was er weiß, woran er sich erinnert. »Ein großer Teil der indischen Währung wurde früher in der Sowjetunion gedruckt. Als die Union auseinandergebrochen war und alles zum Verkauf stand, haben die Pakis eine Operation durchgeführt. Sie haben versucht, den Russen die Original-Druckplatten abzukaufen. Hätte das geklappt, dann hätten sie eine Fälschungsaktion durchziehen können, bei der echte Geldscheine herausgekommen wären, perfekte Banknoten. Aber wir haben Wind von der Sache gekriegt und die Platten aus der Fabrik geholt. Allerdings ist es den Pakis gelungen, sich beträchtliche Mengen des Originalpapiers zu beschaffen. Das konnten wir nicht mehr verhindern. Und mit diesem Papier haben sie indische Währung in großen Scheinen produziert, mehrere Serien mit hohen Nennwerten. Die Pakis haben hochbegabte Spezialisten. Ihre Fälschereien sind ausgezeichnet. Ich habe ein paar dieser Banknoten gesehen, von Beschlagnahmungen in Jammu und Amritsar. Sie sind erstklassig. Und sie waren in Plastikfolie verpackt, in solchen Stapeln.«
Anjali nickt sehr rasch. »Sehr gut zum Transport geeignet, unter den verschiedensten Bedingungen.«
»Ja, bei jedem Wetter. Die Operation in Rußland wurde von einem ISI-Mann namens Shahid Khan geleitet, der damals Major war. Er ist gut. Ich kannte ihn schon von früher, als er bei der pakistanischen Botschaft in London gearbeitet hat.«
»Shahid Khan«, sagt Anjali.
»Shahid Khan«, sagt K. D. »Sehr fromm. Und fleißig. Einer ihrer Besten. Shahid Khan hat das Papier organisiert.«
Sie schreibt schnell mit, er hört, wie ihr Kuli über das Papier kratzt, und als sie fertig ist, wartet sie auf mehr. Aber mehr hat er nicht zu bieten.
Zusammen warten sie auf das Geld. Kurz nach eins trifft Amit Sarkar ein, eine Aktentasche an sich gepreßt. Anjali hält den Stapel für K. D. hoch. »Ja«, sagt er. »Ja.« Er spürt, wie er lächelt. Das Spiel, denkt er. Es läuft. Er nimmt Anjali den Kuli ab, sticht mit der Spitze durch die Plastikfolie und zieht. Durch diesen Schlitz zieht er einen Schein hervor und hält ihn in Richtung des Fensters, des Tageslichts. »Ja«, sagt er. »Ja. Ich glaube, das ist ihr Geld.« Er hat keine Ahnung, was das für Anjali bedeutet oder ob es überhaupt etwas bedeutet. Aber sie sind alle froh: Es ist zumindest etwas.
Anjali nimmt das Geld und ihren Block, umarmt K. D. und eilt davon. Sie muß weg, aber sie läßt Amit Sarkar bei K. D., damit er ihm zuhört, ein Auge auf ihn hat. Die Organisation möchte immer noch, daß er das Spiel spielt, aber es ist zu spät. K. D. lehnt sich im Bett zurück, die Arme ausgebreitet. Seine Kissen sind sehr bequem. Er ist müde. Es ist Zeit, sich auszuruhen. Er schließt die Augen. Er atmet tief und schläft ein.
Menü
Geld
A us Katekars Versicherungen und Spareinlagen kamen alles in allem siebenundsechzigtausendsieben Rupien und vierundsiebzig zusammen. Zwar wurde umgehend eine staatliche Beihilfe in Höhe von zwei Lakhs zugesagt, doch der Scheck brauchte neuneinhalb Monate, um seinen Weg durch die gewundenen Flure von Mantralaya und über die Schreibtische zahlreicher übergenauer Beamter zu finden. Bis Shalini ihn einlösen konnte und das Geld ihrem Konto gutgeschrieben wurde, war seit dem Tod ihres Mannes fast auf den Tag genau ein Jahr vergangen. Sie hetzte nun durch sechs Haushalte, in denen sie als Putzfrau arbeitete, Wäsche wusch und Geschirr spülte und dafür jeweils tausend Rupien bekam. Für eine Frau mit zwei heranwachsenden Söhnen war das nicht annähernd genug, kein Vergleich zu der Zeit, als Katekar ganze Geldscheinbündel nach Hause gebracht hatte. Nun lagen die zwei Lakhs endlich auf ihrem Konto, und zwei Lakhs auf einmal schienen eine ganze Menge, doch Shalini wußte genau, daß
Weitere Kostenlose Bücher