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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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hat, der hat noch was zu verlieren.‹«
    »Sehr beeindruckend«, sagte Sartaj. Er veränderte seine Position auf dem Stuhl und bereute es sofort, denn er traf mit dem Schulterblatt auf einen glühend heißen Metallwulst. Er rückte seinen Turban zurecht und versuchte langsam und gleichmäßig zu atmen. Katekar fächelte sich mit einer gefalteten Abendzeitung Kühlung zu, die Augen gedankenverloren, die Stirn schlaff. Dann drang wieder das kühle elektronische Zischen von Gaitondes Stimme durch die nahezu unbewegte Luft.
    »Ich beschloß daraufhin, immer scharf aufzupassen, denn ich war ehrgeizig. In dieser Nacht legte ich mich in den Bug des Bootes, den schäumenden Wellen so nahe wie möglich, und ich träumte. Habe ich schon gesagt, daß ich erst neunzehn war? Ich war neunzehn, und ich malte mir Geschichten aus, mit Autos und einem großen Haus und wie ich im Blitzlichtgewitter auf einer Party erscheine.
    Mathu kam und setzte sich neben mich. Er zündete sich eine Zigarette an und gab mir auch eine. Ich zog kräftig daran, wie er. Im Dunkeln sah ich nur seine Tolle und seine mageren Schultern, und ich versuchte mir sein Gesicht vorzustellen, das viel zu knochig war, um auch nur eine entfernte Ähnlichkeit mit Dev Anand zu haben. Trotzdem schmierte er sich unverdrossen jeden Tag Talkumpuder in sein spitzes Rattengesicht. Plötzlich tat er mir leid. ›Ist es nicht schön hier?‹ fragte ich. Er lachte. ›Schön? Wir könnten ertrinken, und niemand würde wissen, was aus uns geworden ist. Wir würden verschwinden, wären einfach weg.‹ Seine Zigarette beschrieb Spiralen. ›Wie meinst du das?‹ fragte ich. ›Ach, du armer Dorftrottel‹, sagte er. ›Kapierst du's nicht? Niemand weiß, daß wir hier draußen sind.‹ - ›Salim Kakas Leute wissen es doch‹, sagte ich, ›und sein Boß weiß es auch.‹ Ich spürte, daß er über mich lachte, denn seine Knie stießen an meine Schulter. ›Von wegen.‹ Er beugte sich näher zu mir, ich konnte ihn riechen und sah seine Augen glimmen. ›Niemand weiß es‹, flüsterte er, ›Salim Kaka hat seinem Boß nichts davon gesagt. Das hier ist sein privater Deal, verstehst du? Was glaubst du, warum wir mit diesem kleinen, lebensgefährlichen Boot unterwegs sind und nicht mit einem Trawler? Was glaubst du, warum wir beide mitfahren, ein nach Misthaufen stinkender Bauerntrampel und ein blutjunges Mitglied der Company? Hm? Warum? Das hier ist Salim Kakas eigenes kleines Ding. Er will sich selbständig machen, und weißt du, was man braucht, wenn man sich selbständig machen will? Kapital. Kapital braucht man. Deshalb schippern wir hier in dieser lausigen Mausefalle herum, nur eine Handbreit von den großen Fischen entfernt. Er glaubt, es springt genug für einen frischen, glänzenden Neuanfang dabei raus. Kapital, Kapital, verstehst du?‹
    Ich setzte mich auf. Er stützte sich auf meine Schulter und schwang sich hoch. ›Gaandu‹, sagte er, ›wenn du in der Stadt leben willst, mußt du immer drei Ecken vorausdenken, du mußt hinter eine Lüge schauen, um die Wahrheit zu sehen, und hinter diese Wahrheit, um die Lüge zu sehen. Und dann, dann brauchst du einen Haufen Geld, wenn du gut leben willst. Denk drüber nach.‹ Mathu klopfte mir auf die Schulter und ging davon. Als er in die Kajüte hinunterstieg, sah ich im schwachen Licht einen Moment lang sein Gesicht. Und ich habe darüber nachgedacht.«
    Katekar stand unter dem Lautsprecher, er drehte den Kopf hin und her, und Sartaj hörte seine Halswirbel knacken. »Ich erinnere mich an diesen Salim Kaka«, sagte Katekar leise. »Ich hab ihn früher in Andheri herumlaufen sehen, in einem roten Lungi 379 und einer Seidenkurta. Die Kurtas hatten verschiedene Farben, aber der Lungi war immer rot. Er hat mit Haji Salmans Gang zusammengearbeitet, und ich hab mal gehört, daß er in Andheri eine Freundin hatte.«
    Sartaj nickte. Katekars Gesicht war verquollen, als sei er gerade aufgewacht.
    »Liebe?« fragte Sartaj.
    Katekar grinste. »Der Seide nach zu schließen, muß es Liebe gewesen sein. Vielleicht auch, weil sie erst siebzehn war und ein Hinterteil hatte wie ein tänzelndes Reh. Sie war die Tochter eines Automechanikers, hab ich gehört.«
    »Sie glauben nicht an Liebe, Katekar?«
    »Ich glaube an Seide, Saab, und an alles, was weich ist, und an alles, was hart ist, aber ...«
    Ein Grollen kam aus dem Lautsprecher über ihnen. »Was murmeln Sie da, Sardar-ji?«
    »Nur ein paar Anweisungen. Erzählen Sie weiter.«
    »Also,

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