Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
Vom Netzwerk:
rötlichen Schimmer, der an Apfelbäckchen erinnert. Aber was mir am besten gefiel, als wir die Barren an diesem Nachmittag aus dem Koffer in die Säcke packten, einen nach dem anderen, immer abwechselnd einen für Mathu und einen für mich, das war ihr Gewicht. Die Barren waren klein, kaum länger, als meine Handfläche breit ist, viel kleiner, als ich gedacht hatte, aber sie fühlten sich so rund und kompakt an, daß ich es kaum ertrug, sie einzeln in meinen Sack zu legen. Mein Gesicht glühte, mein Herz krampfte sich zusammen, und ich wußte, daß ich das Richtige getan hatte. Den letzten von meinen Barren steckte ich in meine linke Hosentasche, so daß er beim Gehen an mein Bein stieß und ich ihn immer spüren konnte. Den Revolver schob ich mir auf der anderen Seite in den Bund. Mathu nickte. ›Fast geschafft‹, sagte er. ›Was meinst du, wieviel die wert sind?‹ Er lächelte zögernd und zupfte sich nervös an der Nase, wie immer. Ich schaute auf ihn hinab und empfand nichts als Verachtung. Ich wußte plötzlich mit absoluter Sicherheit, daß er immer ein Tapori bleiben würde, vielleicht mit zehn oder zwölf Leuten, die für ihn arbeiteten, aber doch immer ein Nervenbündel, ein mickriger Provinzhanswurst, mit einer Knarre und einem Messer unterm Hemd notdürftig zum Brutalo aufgemotzt. Wer in Rupien denkt, ist ein besenschwingender Bhangi 077 , weiter nichts. Denn Lakhs sind Dreck, und Crores 134 sind Scheiße. Golden ist die Zukunft in meiner Tasche, dachte ich, und sie birgt ungeahnte Möglichkeiten. Ich schob den Sack unter meine Koje, stieß ihn mit dem Fuß vollends darunter, und Mathu schaute mit großen Augen zu. Ich kehrte ihm den Rücken, ging an Deck und lachte in mich hinein. Ich hatte keine Angst mehr. Ich kannte ihn jetzt. In dieser Nacht schlief ich wie ein Baby.«
    Katekar schnaubte und schüttelte den Kopf. »Und jahrelang hat er jede Nacht ruhig geschlafen, während sich links und rechts von ihm die Leichen stapelten.« Sartaj hob warnend die Hand, doch Katekar wischte sich den Schweiß von der Stirn und sagte leise: »Das sind doch alles die gleichen Schweine, diese maderchod raffgierigen Dreckskerle. Das Problem ist nur, wenn einer von ihnen ins Gras beißt, wachsen fünf andere nach.«
    »Still«, sagte Sartaj. »Ich will zuhören.«
    Der Lautsprecher brummte wieder. »Am übernächsten Tag sah ich weit entfernt über dem Wasser einen Hügel. ›Was ist das?‹ fragte ich Gaston. ›Wir sind da‹, sagte er. Pascal stand am Bug, lehnte sich weit hinaus und rief ›Aaa-hoooooooo!‹ zu einem anderen Boot hinüber. Dieser langgezogene Ruf und die Antwort darauf waren wie eine Umarmung. Ich hatte es geschafft.
    Wir halfen das Boot auf den Strand ziehen und verabschiedeten uns dann von Pascal und Gaston. Mathu flüsterte ihnen Drohungen zu, aber ich stieß ihn mit der Schulter etwas unsanft beiseite und sagte: ›Hört zu, Jungs, zu niemandem ein Wort, kein Sterbenswörtchen, dann kommen wir wieder ins Geschäft.‹ Ich gab jedem einen Goldbarren aus meinem Sack und schüttelte ihnen die Hand, und sie grinsten und waren meine Freunde fürs Leben. Mathu und ich gingen mit unseren Säcken über der Schulter ein Stück die Straße entlang zur Bushaltestelle. Ich winkte eine Motorrikscha heran, nickte Mathu zu und ließ ihn stehen, fix und fertig, wie er war, die Finger an der Nase. Er wäre gern mitgekommen, das wußte ich, aber er hatte nicht das Format, das er zu haben glaubte, und früher oder später hätte ich ihn töten müssen. Ich hatte keine Zeit für ihn. Ich wollte nach Bombay.«
    Der Lautsprecher schwieg. Sartaj stand auf, drehte sich um und schaute die Straße hinauf und hinunter. »He, Gaitonde!« rief er.
    Es dauerte einen Moment, bis die Antwort kam. »Ja, Sartaj?«
    »Der Bulldozer ist da.«
    Und da war er in der Tat, ein schwarzes Ungetüm, das dröhnend und rasselnd am Ende der Straße erschien. Im Nu hatte sich eine Menschenmenge versammelt. Die Maschine strahlte eine gewisse Würde aus, und der Fahrer trug seine Mütze mit dem professionellen Stolz des Spezialisten.
    »Die Leute da sollen weg von der Straße«, sagte Sartaj zu Katekar. »Und das Ding soll hierher, mit der Nase in die Richtung.«
    »Jetzt höre ich ihn«, sagte Gaitonde. Das Videoauge schwenkte in seinem Gehäuse rastlos hin und her.
    »Sie werden ihn auch gleich sehen«, erwiderte Sartaj. Die Polizisten, die bei den Transportern standen, kontrollierten ihre Waffen. »Hören Sie, Gaitonde, das Ganze hier

Weitere Kostenlose Bücher