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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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unten bewegten sich Salim Kakas Füße, so regelmäßig, als bahnten sie sich noch immer ihren Weg zum Boot. Das Wasser spritzte und schäumte. ›Schieß, Mathu!‹ rief ich. ›Schieß doch, Maderchod!‹ Es waren meine ersten Worte, seit wir an Land gegangen waren, und meine Stimme klang seltsam fest und fremd. Mathu neigte den Kopf und zielte. Wieder riß ein Blitz die Binsen aus dem Dunkel, aber die Füße strampelten weiter. Ich richtete meinen Revolver auf die brodelnden Strudel, und nach diesem dritten Schuß regte sich nichts mehr. Trotzdem schoß ich zur Sicherheit noch einmal. ›Los‹, sagte ich, ›machen wir, daß wir wegkommen.‹ Mathu nickte, als wäre ich jetzt der Boß, sprang in den Graben und wühlte nach dem Koffer. Die Taschenlampe lag im Wasser, eine helle gelbe Blase, die Salim Kakas Kopf genau zur Hälfte umschloß. Ich schnappte sie mir, doch den ganzen Weg zurück zum Beiboot stand der Mond groß und rund am Himmel und leuchtete uns, bis wir in Sicherheit waren.«
    Gaitonde trank etwas. Sartaj und Katekar hörten deutlich jeden einzelnen Schluck, hörten, wie sich das Glas leerte.
    »Whisky?« flüsterte Sartaj. »Bier?«
    Katekar schüttelte den Kopf. »Nein, er trinkt keinen Alkohol. Er raucht auch nicht. Sehr gesundheitsbewußt, dieser Don 179 . Trainiert täglich. Er trinkt Wasser. Bisleri mit einem Schuß Limone.«
    Gaitonde erzählte weiter, plötzlich hatte er es eilig. »Als am nächsten Tag die Sonne über dem Boot aufging, waren Mathu und ich noch wach. Wir hatten die ganze Nacht in der Kajüte gesessen. Den Koffer hatten wir unter Mathus Koje geschoben, aber man sah ihn noch. Ich hatte meinen Revolver im Schoß, Mathus Waffe schaute unter seinem Schenkel vor. Über uns ließen leise Schritte das Dach knarren. Wir hatten Gaston und Pascal gesagt, die Polizei hätte uns aufgelauert, die Polizei des Landes - welches Landes auch immer-, in dem wir gewesen seien. Pascal hatte geweint, und beide bewegten sich seitdem sehr behutsam, aus Rücksicht auf unsere Trauer. Die Holzwand hinter Mathus Kopf war dunkelbraun, und das Weiß seines Banian 057 schwankte mit den Wellen auf und ab. Eine vage Distanz lag zwischen uns, und ich wußte, was er dachte. Ich faßte einen Entschluß. Ich legte den Revolver auf mein Kopfkissen und zog die Füße in die Koje hoch. ›Ich schlafe ein bißchen‹, sagte ich. ›Weck mich in drei Stunden, danach kannst du schlafen.‹ Ich drehte mich zur Wand und schloß die Augen. Ganz unten am Rücken spürte ich ein kreisförmiges Zucken und Kribbeln, als wartete die Stelle auf eine Kugel. Ich konnte nichts dagegen tun. Ich drückte die Knöchel an den Mund und versuchte möglichst gleichmäßig zu atmen. Manche Dinge kann man steuern.
    Als ich aufwachte, war es Abend. Leuchtend orangefarbenes Licht fiel durch die Luke in die Kajüte und färbte das Holz feuerrot. Meine Zunge schien den ganzen Mund auszufüllen, und als ich die Hand bewegen wollte, war sie scheußlich aufgedunsen und bleischwer. Ich glaubte schon, die Kugel hätte mich gefunden oder ich hätte die Kugel gefunden, mein Herz hämmerte schmerzhaft, und ich setzte mich auf. Mein Bauch war schweißnaß. Mathu schlief, das Gesicht im Kissen vergraben. Ich steckte mir den Revolver in den Hosenbund und ging an Deck. Pascal lächelte mir aus seinem kleinen schwarzen Gesicht zu. Mächtige Wolken türmten sich höher und höher in den roten Himmel. Und das Boot - eine Nußschale auf dem Wasser. Meine Beine gaben nach, und ich setzte mich zitternd hin. Das Zittern hielt an, hörte auf, fing wieder an. Als es ganz dunkel war, bat ich Pascal um zwei feste Taschen. Er gab mir zwei weiße Seesäcke mit Zugband.
    ›Wach auf‹, sagte ich zu Mathu, als ich wieder in der Kajüte war, und trat gegen seine Koje. Er fuhr hoch und tastete nach seinem Revolver, fand ihn aber erst, als ich darauf zeigte, zwischen Matratze und Wand. ›Ganz ruhig, du schreckhafter Chut 131 . Ganz ruhig. Wir müssen teilen.‹ - ›Mach so was nie wieder‹, knurrte er und reckte die Schultern, wie ein Hahn, der die Federn spreizt. ›Hör zu‹, sagte ich lächelnd, ›du bhenchod verschlafener Sohn des maderchod Kumbhkaran 352 , willst du deine Hälfte haben oder nicht?‹ Er überlegte einen Moment, noch ganz verquollen und wütend, doch dann entspannte er sich und lachte. ›Ja, ja‹, sagte er. ›Halbe-halbe. Halbe-halbe.‹
    Gold ist gut. Es fühlt sich so angenehm glatt an. Wenn es nahezu rein ist, hat es diesen kräftigen

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