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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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sicher. Absolut sicher. Sie haben mein Wort.«
    Doch Sartajs Wort interessierte Gaitonde nicht. »Vor langer Zeit, als ich noch ganz jung war, habe ich das Land zum ersten Mal verlassen. Mit einem Boot. So hat man das damals gemacht: Man stieg in ein Boot, fuhr nach Dubai, fuhr nach Bahrain, verdiente sich dort eine goldene Nase und kam wieder zurück. Ich war aufgeregt, weil ich noch nie im Ausland gewesen war. Nicht mal in Nepal, stellen Sie sich vor. Okay, Sardar-ji, die Sache sah so aus: ein kleines Boot, wir zu fünft drin, eine ziemlich beschissene Atmosphäre. Chef des Ganzen war Salim Kaka 306 , ein baumlanger Paschtune mit einem langen Bart, ein kampferprobter, wehrhafter Mann. Dann war da Mathu, an dem war alles schmal und dünn, und er zupfte sich ständig an der Nase, spielte den harten Burschen. Ich selber war neunzehn und hatte von nichts eine Ahnung. Dann Gaston, dem das Boot gehörte, und Pascal, sein Gehilfe, zwei dunkelhäutige kleine Männer irgendwo aus dem Süden. Salim Kaka hatte die Sache organisiert, er hatte die Beziehungen, von seinem Geld war das Boot gemietet worden, er hatte die Erfahrung und wußte, wann man losfahren und wann man zurückkommen mußte. Von ihm hing alles ab. Mathu und ich waren seine Jungs, wir wichen ihm nicht von der Seite. Kapiert?«
    Katekar verdrehte die Augen. Sartaj sagte: »Also, Salim Kaka war der Anführer, Sie und Mathu waren die Gorillas, und Gaston und Pascal haben das Boot gesteuert. Alles klar.«
    Katekar lehnte sich neben dem Eingang an die Wand und schüttete sich Paan 461 masala in die hohle Hand. Der Lautsprecher schimmerte metallisch. Sartaj schloß die Augen.
    Gaitonde fuhr fort: »Einen so riesigen Himmel hatte ich noch nie gesehen. Purpur und Gold und Purpur. Mathu kämmte sich alle paar Minuten seine Dev-Anand-Tolle. Salim Kaka saß mit uns auf Deck. Er hatte mächtige Quadratlatschen, rissig wie ein Stück Holz. An dem Abend erzählte er uns von seinem ersten Job, einem Überfall auf einen Kurier, der von Surat nach Bombay unterwegs war. Sie schnappten ihn sich, als er aus dem Bus stieg, warfen ihn hinten in einen Ambassador und rasten zu einem leerstehenden Lagerhaus im Industriegebiet Vikhroli. Dort zogen sie ihm Hemd, Unterhemd, Hose und überhaupt alles aus und fanden auf Schenkelhöhe in die Hose eingenäht vier Lakhs in Fünfhundert-Rupien-Scheinen. Dazu einen Geldgürtel mit sechzehntausend drin. Als sie gingen, stand der Mann mit zitternder Wampe splitternackt da und hielt sich die Hände vor seinen geschrumpften Lauda 373 . Klar?«
    Sartaj öffnete die Augen. »Ein Kurier, sie haben ihn geschnappt, sie haben Geld gemacht. Und?«
    »Die Geschichte ist noch nicht zu Ende, schlauer Sardar-ji. Salim Kaka wollte schon die Tür zumachen, aber dann drehte er sich um und ging noch mal zurück. Er packte den Kerl an der Gurgel, riß ihn herum und schob ihm das Knie zwischen die Beine. ›Laß doch, Salim Pathan‹, rief ihm einer von den anderen zu, ›jetzt ist keine Zeit für den Gaand von so einem Typen.‹ Aber Salim Kaka tastete am Hintern des Angadia 021 herum und sagte: ›Manchmal verrät ein schöner Arsch alle Geheimnisse der Welt, man muß ihn nur wie einen Pfirsich ausquetschen.‹ Er hielt ein kleines braunes Seidenpäckchen hoch, das der Kurier sich hinter die Eier geklebt hatte. Darin waren zehn, fünfzehn erstklassige Diamanten, funkelnd und blitzend, und in der Woche darauf verkauften sie die Steine fünfzig Prozent unter Wert an einen Hehler. Salim Kakas Anteil war allein schon ein Lakh, und damals war ein Lakh noch was wert. ›Aber‹, sagte Salim Kaka, ›das Lakh war noch das wenigste, Geld ist nur Geld.‹ Seit diesem Zwischenfall kannte man ihn als einen hochtalentierten, gerissenen Burschen. Er brauchte nur zu sagen: ›Ich quetsch dich gleich aus wie einen Pfirsich‹, und dabei seine buschigen Brauen hochzuziehen, und schon spuckte das arme Opfer Cash, Kokain, Geheimnisse oder sonstwas aus. ›Woher wußtest du das mit dem Angadia, Salim Kaka?‹ fragte ich, und Salim Kaka sagte: ›Ganz einfach. Ich hab von der Tür aus gesehen, daß er immer noch Angst hat. Als ich ihm das Messer an die Kehle gesetzt habe, hat er mit zitternder Kinderstimme gefleht: Bitte, bring mich nicht um, mein Baap 038 . Ich hatte ihn nicht umgebracht, er war noch am Leben, und trotzdem hielt er sich seinen Lauda; das Geld war weg, aber es war nicht seins gewesen, außerdem waren wir schon fast draußen - wovor hatte er also noch Angst? Wer Angst

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