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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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Geschäft, aber sie taten auch manches Gute. Und Katekar war stets für Sauberkeit eingetreten, so daß Shalini ihm mit ihrer Arbeit alle Ehre machte. »Hier.« Sartaj gab ihnen die Päckchen, die er mitgebracht hatte.
    »Danke«, sagte Rohit auf Englisch. Er hatte in letzter Zeit hart an seinem Englisch gearbeitet und wollte in ein paar Wochen, gleich nach den Prüfungen, einen Computerkurs für Anfänger machen. Sartaj hatte ihm einen Platz in den Prabhat Computer Classes besorgt, die den besten Ruf in der Gegend genossen. »Computer- und Internetkurse für nur 999 Rs.« verkündeten die bunten Plakate, die an jeder zweiten Hauswand klebten. Rohit packte die Tüten aus und legte die Plastikbeutel mit Hülsenfrüchten, Grießmehl und Reis beiseite. »He, Tapori«, sagte er zu Mohit und warf ihm zwei Comic-Hefte zu. »Der neueste Spiderman . Sag danke.«
    Mohit wollte die Hefte gar nicht wieder loslassen, aber danke sagte er nicht. Sartaj fragte sich, was die Nachbarn ihm über den Tod seines Vaters erzählt hatten, wem er die Schuld gab. Ein seltsames Kind. Er war zu einem finsteren kleinen Bengel geworden, sehr verschlossen, sehr sprunghaft und immer unter Hochspannung.
    »Unser Mohit mag Spiderman«, sagte Sartaj, »aber er ist auch ein patriotischer Inder. Er will nicht dauernd ›thank you, thankyou‹ sagen wie die Amerikaner.«
    Rohit lachte. »Ja, Unhöflichkeit ist unser angestammtes Recht.« Er zog seinen Bruder an der Nase, und Mohit machte ein Geräusch, als würde er ausspucken, und rannte hinter den Vorhang ins Zimmer der Jungen. »Dabei wäre er so gern Spiderman. Jetzt nimmt er die Hefte sogar abends mit ins Bett.« Rohit tippte sich an die Stirn.
    Sartaj knöpfte seine Brusttasche auf und zog einen Umschlag hervor. »Zehntausend«, sagte er. Er gab ihn Rohit und kratzte sich den Bart. Es wurde heiß, die brütende Stille und die gedrückte Stimmung der Vormonsunzeit breiteten sich aus. Sein Kragen war schweißgetränkt.
    Diesmal bedankte sich Rohit nicht. Er stand auf, den Umschlag an die Brust gedrückt, dann hörte Sartaj das metallische Quietschen einer Schranktür, die geöffnet und wieder geschlossen wurde. Rohit kam mit einem Glas Wasser zurück, und Sartaj trank. Rohit war ein guter Junge, und er war zu jung, um Geld in Schränke zu legen und sich darüber Gedanken zu machen, wie er seinen kleinen Bruder erziehen sollte. Andererseits gab es an jeder Straßenecke auf dem Weg nach Colaba Sechsjährige, die sich dort ihren Lebensunterhalt verdienten.
    Sie unterhielten sich eine Weile über Computer, den Nahen Osten und die Frage, ob Kajol 305 noch weitere Filme drehen würde. Für Rohit war Kajol die beste Filmschauspielerin seit Madhubala. Sartaj hatte lange keinen Film mehr mit ihr gesehen, aber er stimmte gern zu, denn wenn Rohit von Kajol redete, wurde er froh und lebhaft und beschrieb heftig gestikulierend ihre Vorzüge. Kajol sei nicht nur eine gute Schauspielerin, sie sei auch eine gute Ehefrau und Mutter, meinte er. Sartaj mußte lächeln und freute sich, zuhören und Rohit beipflichten zu können.

    Am nächsten Morgen traf sich Sartaj mit Mary in der Wohnung ihrer Schwester. Wie erwartet, hatte es mehrere Wochen gedauert, bis Jojos Wohnung an Mary als einzige lebende Verwandte übergeben werden konnte. Doch endlich hatte er sie anrufen und ihr sagen können, daß alles geregelt sei und er die Schlüssel habe. Der Dienstag war Marys freier Tag, und er hatte sich gleich am Morgen mit ihr verabredet, bevor er aufs Revier fuhr. Er war früh aufgestanden, hatte sich unter die Dusche geschleppt und stand nun pünktlich um halb sieben vor dem Haus. Sie wartete wie vereinbart am Lift auf ihn. Neben ihr stand eine sehr große, sehr dünne Frau, die ihm leicht belustigt entgegensah.
    »Das ist meine Freundin Jana«, sagte Mary.
    Sartaj hatte keine Freundin Jana erwartet, aber es war nur verständlich, daß Mary nicht allein kam. »Namaskar, Jana-ji«, sagte er.
    Jana registrierte den sarkastischen Unterton und schaute noch belustigter drein. »Namaskar, Sartaj-ji«, sagte sie.
    Sartaj grinste, und Mary lächelte unvermittelt. Ihr Kinn schob sich ein wenig vor, und ihre Augen verengten sich, so daß ihr ganzes Gesicht verändert wirkte. Der lastende Ernst verschwand daraus. Sartaj wußte nicht recht, was genau sie so lustig fand, aber es war eine Erleichterung und eine Offenbarung, zu sehen, daß sie auch heiter sein konnte. »Fahren wir rauf?« fragte er und zeigte auf den Lift.
    »Ja«, sagte

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