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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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erst weiß und dann rot anlief. »Hören Sie zu«, sagte er heiser. »Das genügt nicht.«
    »Jaja, ich weiß. Das ist auch nur symbolisch. Aber ich bezahle lieber Sie als die. Nur helfen Sie mir. Sorgen Sie dafür, daß das aufhört.«
    »Haben Sie so viel eigenes Geld?«
    »Ich arbeite, und meine Eltern helfen mir ab und zu aus.«
    Sie hatte ein eigenes Konto und liebevolle Eltern. »Wohnen Ihre Eltern in Bombay?«
    »Ja, in Juhu.«
    »Geschwister?«
    »Nein.«
    Sie war das verwöhnte Einzelkind wohlhabender Eltern, das plötzlich in große Schwierigkeiten geraten war. Und sie war fest davon überzeugt, daß ihre Privilegien ihr zustanden. Es würde ein Vergnügen sein, Geld von ihr zu nehmen. Aber Sartaj war wütend. »Ohne Anzeige kann ich Ihnen nicht helfen, Madam.«
    »Wieviel wollen Sie?«
    Er schob das Kuvert zurück. »Ich kann Sie auf der Stelle verhaften, wegen versuchter Bestechung eines Polizeibeamten.«
    Das brachte sie zum Schweigen. Sie hielt sich die Hand vor den Mund und fing an zu weinen. Und diesmal waren ihre Tränen echt. Sartaj stand auf und ging.

    Warum war er so wütend auf Kamala Pandey gewesen? Er war es schließlich gewohnt, Geld zu nehmen, gekauft zu werden. In dieser Stadt wurden täglich Dinge und Menschen ge- und verkauft. Sartaj fuhr mit dem Motorrad zu Katekars Familie. Er hielt sich nach Möglichkeit in der Mitte der holprigen Straße, denn die Rinnsteine waren verstopft, und da und dort hatten die Gezeiten des Mülls tiefe Löcher in den Asphalt gegraben. In dem Wechsel von Hell und Dunkel kamen die Schlaglöcher unverhofft und konnten einen zu Fall bringen. Sartaj hatte noch immer einen Nachgeschmack der Empörung im Mund, er hegte einen bitteren Groll, der nichts damit zu tun hatte, was für ein verwöhntes, entnervendes Gör Kamala Pandey war. Kam dieses Gefühl nur daher, daß sie ihren Mann betrog, daß sie etwas getan hatte, was eine Frau nicht tun sollte? Männer taten es ständig, das wußte Sartaj. Und manchmal taten es eben auch Frauen. Auch das wußte er. Die Folgen bekam er oft zu sehen, so wie heute. Er hatte zerbrochene Ehen und zerbrochene Körper gesehen, hatte schmerzerfülltes Schluchzen und Schreien gehört. Das alles war ihm nicht neu. Warum also war er so wütend gewesen?
    Sartaj rollte die letzten Meter bis zur Ecke von Katekars Gasse, die sich verengte und dann nach links abbog. Er stellte das Motorrad ab, klappte den Soziussitz hoch und nahm seine Päckchen aus dem Stauraum. Auch auf den Gepäckträger hatte er eine Plastiktüte geschnallt. Er schüttelte seinen Ärger und die Frage, die ihn beschäftigte, ab und marschierte die Gasse hinunter, schob sich seitlich an Gruppen von Fußgängern vorbei. Einige nickten ihm zu. Er kam seit ein paar Monaten regelmäßig hierher, und inzwischen kannte man ihn. Manche gaben ihm zweifellos noch immer die Schuld an Katekars Tod, aber die meisten waren freundlich.
    Katekars Söhne saßen am Eingang des Kholis und lernten. Das Neonlicht von drinnen ließ ihre Silhouetten hervortreten. Rohit saß wie immer links von der Tür, den Rücken flach an der Wand, ein Buch vor sich in den Händen. Mohit dagegen war ständig in Bewegung, und sein Kopf hüpfte sogar beim Schreiben auf und ab. Jetzt richtete er sich auf die Knie auf und beugte sich tief über sein Heft. Die Seite war voller blauer Tintenflecke.
    »Hallo, Rohit, hallo, Mohit«, sagte Sartaj.
    »Hallo!« Rohit grinste, doch Mohits Kopf blieb gesenkt. Er schrieb wie wild quer über die Zeichnungen, die sich über die ganze Breite seines Heftes zogen.
    Sartaj ging in die Hocke, den Rücken am Türpfosten. »Wo ist eure Ma?« fragte er.
    »Bei ihrer Versammlung.«
    »Bei was für einer Versammlung?«
    »Von der Familienfürsorge. Sie arbeitet da ehrenamtlich mit und muß einmal in der Woche hin.«
    Das war neu. Sartaj war vor etwas über zwei Wochen zuletzt hier gewesen, und nun hatte Shalini diesen neuen regelmäßigen Termin. Das Leben ging weiter. »Und was macht sie da?«
    »Sie redet mit Frauen hier aus der Gegend.«
    »Über Gesundheit?«
    »Ja. Und über Geldsparen, glaube ich. Und über Sauberkeit. Sie wollen die Gassen säubern. Wir haben irgendwo Faltblätter, falls Sie sie sehen wollen.«
    »Nein, nein.« Sartaj kannte derlei Gruppen und die NGOs, mit denen sie zusammenarbeiteten. Meist wurden sie aus öffentlichen Mitteln oder von der Weltbank finanziert, und für den einen oder anderen - die NGOs, die Regierung oder die Bank - waren sie ein einträgliches

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