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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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zu ehrgeizig, um eine Karriere bei der Polizei anzustreben, die solche kaputten Typen hervorbrachte wie diesen Sardar-Freund ihres Vaters.
    Sartaj fuhr nach Hause, die ganze Strecke über laut rülpsend. Er merkte, daß er betrunken war, und fuhr deshalb sehr langsam. Ein vollkommen runder Mond hing hinter den Häusern und leuchtete zwischen Reklametafeln hervor, die Shahrukh Khans 578 neuen Film ankündigten, eine große Liebesgeschichte. Die Plakate, dachte Sartaj, während er vorsichtig um einen Kreisverkehr fuhr, glänzten viel stärker als die handgemalten, an die er sich aus seiner Kindheit erinnerte; Dharmendra hatte darauf ausgesehen wie ein Außerirdischer mit einem Wasserkopf. Die Liebe glänzte heutzutage überhaupt stärker, zumindest nach außen hin. Kamala Pandey aber merkte jetzt, wie schmutzig sie auch sein konnte, wie kahl und trostlos ein Hotelzimmer durch das Objektiv einer Kamera wirkte. Als er an einer Ampel halten mußte, unter einem anderen Shahrukh-Plakat, überlegte Sartaj, was er von Kamala Pandey bekommen konnte. Wollte er sie? Würde er es tun? Wohl kaum. Sie war egozentrisch, verwöhnt. Sex mit ihr würde zu aufreibend sein, würde eine Willens- und Kraftanstrengung erfordern, die alles andere als angenehm wäre. Nein, wenn er ihr half, dann einzig und allein des Geldes wegen.
    Zu Hause zog Sartaj Schuhe und Socken aus und wählte Kamala Pandeys Nummer. Sie hob beim ersten Läuten ab, und er hörte die Panik in ihrer Stimme. »Hallo?«
    »Hier Inspektor Sartaj Singh«, sagte er. Sie stöhnte, als hätte man ihr einen Schlag in die Magengrube versetzt.
    »Ja«, sagte sie. »Ja.« Im Hintergrund hörte man Stimmen und Musik. Dicht neben ihr redete ein Mann. Sie saßen in einem Restaurant, diese erfolgreichen jungen Leute.
    »Ich möchte Sie noch mal sehen. Im selben Lokal, um vier.« Sie schwieg. »Hören Sie mich?«
    »Ja.«
    »Machen Sie sich keine Sorgen. Ich werde Ihnen helfen.«
    »Okay. Danke.« Sie bemühte sich angestrengt um einen beiläufigen Ton, so als spräche sie mit einer Freundin über einen Friseurtermin.
    »Haben sie wieder angerufen? Sagen Sie einfach ja oder nein.«
    »Ja.«
    »Wir reden morgen darüber. Beruhigen Sie sich. Bringen Sie die Liste der Telefonnummern mit. Vier Uhr, selbes Lokal.«
    »Okay, gut.«
    Sartaj legte auf. Er legte die Füße auf den Couchtisch und lockerte seinen Gürtel. Wenn bei der Sache Geld heraussprang, würde er vielleicht mit Ma nach Amritsar fahren. Er würde sie in den Harmandir Sahib begleiten und ihr beim Beten zuschauen. Es war tröstlich, ihre tiefe Frömmigkeit zu spüren, die vertraute Wärme, die ihn dabei durchströmte. War das deshalb so, weil er damit aufgewachsen war, daß immer irgendwo in der Nähe das Murmeln ihrer Gebete zu hören war, oder gab es tief in seinem Innern noch einen vergessenen Rest Glauben, den ihr Summen und Singen wieder ein wenig zum Leben erweckte? Er wußte es nicht. Auf jeden Fall würde er mit ihr nach Amritsar fahren und ihre leichtfertigen Äußerungen, diese Reise sei ihre letzte, ignorieren. Wenn Ma wollte, daß er Kamala Pandey half, dann sollte sie auch davon profitieren. Das war nur angemessen und gerecht.

    Am nächsten Tag im Sindur trug Kamala Pandey Schwarz. Sie saß an dem Tisch nahe der Küchentür, als Sartaj kurz nach vier kam. Vor ihr stand eine Flasche Mineralwasser, daneben lag ein winziges Handy. Ihr Haar war zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden, und sie war mit ihrer schwarzen Bluse zwar leger gekleidet, sah aber immer noch so schick aus, daß sie im Fernsehen hätte auftreten können, in einem Musiksender.
    »Hallo«, sagte sie. »Vielen Dank.« Sie hatte so eine Art, den Kopf zu senken, wenn sie lächelte, und aus weit geöffneten Augen zu ihrem Gegenüber aufzuschauen.
    »Haben Sie das Geld dabei?« fragte Sartaj. Er wollte das Gespräch kurz halten und auf berufliche Belange beschränken. Sie kramte in ihrer Tasche, einer anderen als beim letzten Mal - ein schwarzes Dreieck aus schillerndem Material. »Und die Nummern?«
    »Es ist mehr als neulich«, sagte sie.
    In dem Umschlag waren dreißigtausend. Sartaj nickte. »Haben die Erpresser gestern nachmittag angerufen?«
    »Ja, um fünf vor halb zwei. Ich hab ihnen gesagt, daß ich Zeit brauche, um das Geld zusammenzukriegen, so wie Sie's mir gesagt haben. Die machen Druck.«
    »Haben sie Sie beschimpft?«
    »Sie haben ziemlich schlimme Dinge gesagt.«
    Sie hatte eine schwungvolle Schrift voller Schnörkel, aber Datum und Uhrzeit

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