Der Pate von Bombay
etwas weiß und der sich über irgend etwas geärgert hat oder dringend Geld braucht.«
Umesh war erschrocken. »Sogar aus meinem Bekanntenkreis? Hätte er sich dann nicht auch an mich gewandt?«
»Sie sind nicht verheiratet. Und Sie sind ein Mann.«
»Und ich unterstütze meine Eltern und Geschwister. Da bleibt nicht viel übrig. Also haben die sich das leichtere Ziel ausgesucht.«
»Wer käme da in Frage?«
Beide Männer sahen Kamala an. Ihre Wangen waren rot und gespannt, und Sartaj fragte sich, ob sie anfangen würde zu weinen. Diesmal würde er ihr vielleicht glauben. Doch sie faßte sich wieder und nannte ihre Feindin. »Ich habe eine Freundin namens Rachel.«
»Hatten Sie Streit mit ihr?« fragte Sartaj.
»Ja.«
»Worüber?«
Kamala mußte über seine Begriffsstutzigkeit lachen. »Worüber wohl?«
Natürlich, über Umesh. Zwischen den beiden Frauen hatte schwesterliche Liebe geherrscht, über Jahre vielleicht, dann war der schöne Umesh zwischen sie getreten. »War Rachel Ihre beste Freundin?«
»Ja.«
»Und dann?«
»Wir haben Umesh zusammen kennengelernt. Auf dieser Party damals.«
»Und Rachel hat er auch gefallen?«
»Are, Yaar«, warf Umesh ein und faßte über den Tisch. »Ich hatte nichts mit der Frau, ich hab sie nur ein paarmal mit Kamala zusammen getroffen. Anscheinend hat sie sich wer weiß was eingebildet.«
Was Umesh dachte, spielte in Anbetracht der Umstände keine Rolle. »Wie stand Rachel zu ihm?« fragte Sartaj Kamala.
»Sie mochte ihn.«
»Von Anfang an?«
»Ja. Wir haben uns nach der Party über ihn unterhalten, und sie hat immer wieder gesagt, was für ein toller Mann er sei. Männlich, aber sensibel.« Kamala verdrehte die Augen.
»Und dann?«
»Es kam, wie es kommen mußte.«
»Wann haben Sie's Rachel gesagt?«
Das wußte Kamala noch genau. »An einem Sonntag, zwei Monate später. Ich kam von einem Flug zurück und bin sofort zu ihr. Ich hab's einfach nicht mehr ausgehalten.«
»Und?«
»Sie hat mich rausgeschmissen. Und nie wieder mit mir geredet.«
»So wütend war sie?«
»Sie war zwei Jahre zuvor geschieden worden. Seitdem hatte ihr kein Mann mehr gefallen.«
»Bis Umesh kam.«
»Bis Umesh kam.«
Zu Umeshs Ehrenrettung mußte man sagen, daß er sich nichts auf seinen fatalen Charme einbildete, der Frauen dazu brachte, einander zu hassen. Er schien besorgt, ungläubig. »Trotzdem«, sagte er. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß jemand wie Rachel so tief sinken kann. Erpressung ...«
»Sie ist die einzige, die von uns weiß«, sagte Kamala trübsinnig.
Ja, Kamala wußte mehr über Wut, über die faulenden Reste einer Freundschaft ganz hinten im Schrank - alte Fotos, geschenkte T-Shirts, Mitbringsel aus den Winterferien im schönen Singapur, alles zu einer schwarzen, Tag und Nacht brennenden Bitterkeit geronnen, so daß letztlich nur die Erpressung Erleichterung bot. Nicht des Geldes wegen, sondern weil sie Demütigung und Schmerz verursachte. Das Geld war gut, Heilung und Frieden aber würden von woanders kommen. Ja, Kamala wußte Bescheid. Es gab ein Motiv, und es gab die Gelegenheit. Nicht genug für eine Anzeige, aber auf jeden Fall genug für Ermittlungen.
»Geben Sie mir bitte Rachels Daten.«
Kamala schrieb schnell, in ihrer schwungvollen Schrift, alles aus dem Gedächtnis.
»Gut«, sagte Sartaj. »Ich werde ermitteln. Ihre Handynummer bitte, Mr. Umesh?«
»Ist das alles?«
»Für heute genügt es.«
»Ich dachte, Sie würden eine ganze Menge wissen wollen.«
»Wenn ich Fragen habe, rufe ich Sie an. Die Nummer?« Sartaj notierte sie und klappte sein Notizbuch zu. »Denken Sie daran, was ich Ihnen gesagt habe. Hören Sie zu, hören Sie einfach nur zu. Und haben Sie keine Angst. Die geben sich brutal, aber sie brauchen Sie. Sie hören von mir.«
»Sie gehen jetzt also diesen Anrufen nach?« fragte Umesh. Obwohl er direkt betroffen war, fand er es aufregend, daß nun ermittelt wurde, daß die Sache spannend und unterhaltsam zu werden versprach.
»So ähnlich. Mögen Sie Krimis?«
»Nur Hollywood-Krimis. Unsere indischen sind so schlecht gemacht.«
Das war nicht zu leugnen. »Stimmt«, sagte Sartaj. »Aber ein paar Ausnahmen gibt es.«
Umesh war offensichtlich anderer Meinung, aber er sagte nichts dazu. »Warum kann Kamala nicht einfach sagen, sie zahlt, und dann verhaften Sie die Kerle bei der Geldübergabe?«
»Weil sie das erwarten und es jetzt schon vermeiden. Deswegen haben sie beim ersten Mal den Jungen vorgeschickt. Die gehen kein
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