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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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der Anrufe waren in sauberen, mit Überschriften versehenen Spalten genau notiert. »Wann war die erste Zahlung?« fragte Sartaj und schrieb die Antwort auf das Blatt. »Und als sie angerufen haben, war da irgend etwas Besonderes zu hören?«
    »Nein. Ich hab darauf geachtet. Ab und zu ist ein Auto oder ein Motorroller vorbeigefahren. Aber sonst nichts.«
    »Achten Sie weiter darauf. Die werden sehr unflätig werden und Sie bedrohen. Halten Sie sie hin. Ich brauche eine Weile, um mir das anzuschauen. Ich rufe Sie bald wieder an.« Sartaj nahm den Umschlag und schob seinen Stuhl zurück.
    »Warten Sie!« Sie hob gebieterisch die Hand und senkte sie unter Sartajs Blick wieder. »Bitte. Sie wollten doch mit Umesh sprechen. Er kommt.«
    »Hierher?«
    »Ja. Er wollte um vier dasein. Sorry.« Jetzt wirkte sie respektvoll und zurückhaltend.
    »Okay.« Sartaj schaute auf die Uhr und nahm wieder Platz. Er wußte nichts mit ihr zu reden. Sie spielte mit ihrem Handy, drückte Tasten, las eine SMS. Dann legte sie es wieder hin und kramte in ihrer Tasche. Sie warf Sartaj, der sich strikt neutral verhielt, einen Blick zu und kramte weiter. Sie wurde zusehends nervöser, eine Frau, die es nicht gewohnt war, daß Männer in ihrer Gegenwart schwiegen. Sartaj begann sich zu amüsieren. Es war grausam, aber er gab keinen Mucks von sich, und die Minuten verstrichen.
    Schließlich saß Kamala Pandey schlaff und mit so verlorener Miene da, daß sie ihm leid tat. »Kommt Umesh immer zu spät?« fragte er.
    Sie belebte sich, als hätte sie in eine Zitrone gebissen. »Im Beruf ist er pünktlich, in allem anderen nicht. Er braucht länger als ich, um sich fertigzumachen. Sie sollten mal sein Bad sehen - die reinste Drogerie. Er hat mehr Shampoos und Pflegespülungen und Duftwässerchen als ich und Ihre Frau und noch fünf andere Frauen zusammen.«
    Sartaj ignorierte den kleinen Köder, was seine Frau betraf. »Und jedesmal ruft er an und sagt, er ist schon unterwegs, er sitzt im Auto, er beeilt sich, er ist in einer Viertelstunde da?« fragte er.
    »Ja, genau. Zwei Stunden später kreuzt er dann mit irgendeiner Ausrede auf. Das hat mich wahnsinnig gemacht.«
    Es klang trotz allem etwas wehmütig. Sartaj konnte es ihr nachfühlen: Dramatik und Verrücktheit taten weh, aber man konnte sie sowenig entbehren wie Essen und Trinken. Bis man sich in jener tödlichen Ruhe einrichtete, in der es weder Hoffnung noch Enttäuschung gab. Kamala Pandey aber sprach noch gern von den Sünden ihres Ex, es munterte sie auf. »Vielleicht hatte er unterwegs noch was zu erledigen«, sagte Sartaj.
    Sie mußte laut lachen. »Umesh hat immer mehrere Eisen im Feuer. Das hält er nicht mal groß geheim. Er gibt einem das Gefühl, er hätte noch nicht die Richtige gefunden und vielleicht sei man selbst diejenige, bei der die Suche endet. Er ist so ehrlich, daß man ihm glaubt.«
    »Aber am Ende haben Sie ihn durchschaut.«
    »Ich hab lange genug dazu gebraucht.«
    Doch trotz allem vermochte sie die Sehnsucht nach ihm nicht abzustellen, das sah Sartaj, als Umesh kam. Er begrüßte Sartaj mit einem festen Händedruck und berührte Kamala Pandeys nackten Arm. Sie blieb vollkommen starr. Sartaj mußte plötzlich daran denken, wie er gegen den Schauder angekämpft hatte, der seinen Arm hinauflief, wenn Megha ihn nach der Trennung leicht am Handgelenk berührt, wenn sie sich zu ihm geneigt hatte. Er hatte dann Schultern und Rücken angespannt, um sich nicht seinerseits zu ihr zu beugen. Und jetzt stieg unwillkürlich ein warmes Mitgefühl für diese Frau in ihm auf.
    »Hallo«, sagte Umesh. »Ich könnte jetzt was von einem Stau erzählen, in den ich geraten bin, aber ich hab, ehrlich gesagt, einfach zuviel Zeit vertrödelt. Tut mir leid.«
    Er sah blendend aus. Er trug dunkelrote Jeans, und unter seinem engen weißen T-Shirt zeichneten sich mächtige Schultern ab. Die Jeans waren grotesk, aber an Umesh sahen sie fabelhaft aus. Er schimmerte golden, von den langen Armen bis hinauf zu den hellbraunen Augen, die Kamalas ganz ähnlich waren. Sie mußte hineingeblickt und sich selbst darin gesehen haben. »Setzen Sie sich«, sagte Sartaj. Der Mann hatte einen freimütigen, heiteren Charme, doch Sartaj war entschlossen, sich nicht einwickeln zu lassen.
    »Ich muß mal eben verschwinden, bin gleich wieder da«, sagte Umesh. »Es war eine lange Fahrt.« Er legte sein Handy und einen Schlüsselbund auf den Tisch und eilte davon. Das Handy war genau das gleiche wie Kamalas, seidig

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