Der Pate von Bombay
Risiko ein. Man sollte sie nicht warnen.«
»So gut sind die?«
»Gut ja, aber nicht gut genug«, sagte Sartaj. »Die erwischen wir schon. Also, an die Arbeit.« Umesh schaute skeptisch drein. Sartaj hob zum Abschied die Hand und ließ die beiden allein. Sie saßen unbehaglich nebeneinander, aber sie paßten gut zusammen.
Die Nachmittagssonne stand tief, und Sartaj setzte seine dunkle Sonnenbrille auf. Sie war völlig aus der Mode, stellte er plötzlich fest, seit zwei Jahren schon, womöglich noch länger. Vielleicht sollte er sich eine neue kaufen. Aber er hing an dem ramponierten alten Stück. Es hatte viel mitgemacht, und das Vertraute, Bequeme hatte manches für sich. Mode bedeutete harte Arbeit und war obendrein teuer. Er war mittlerweile zu alt und zu arm dafür. Sartaj grinste in sich hinein - was für ein langweiliger alter Buddha ist aus dir geworden - und fuhr weiter.
Kamala Pandey hatte ein gutes Gedächtnis für Details, aber die Erpresser waren vorsichtig gewesen. Die Anrufe verteilten sich über die gesamten nördlichen Vororte, und jede Nummer war nur einmal benutzt worden. Das einzige erkennbare Muster bestand darin, daß die Anrufe entweder morgens zwischen acht und zehn erfolgt waren oder abends nach sechs. Offenbar waren die Anrufer irgendwo angestellt und verdienten sich durch Erpressung etwas dazu.
»Das sind alles Nummern aus Telefonkabinen«, sagte Kamble. »Mit Sicherheit.«
»Ich weiß.« Sartaj hatte Kamble noch am selben Abend in die Ermittlungen einbezogen, nachdem er sich klargemacht hatte, wieviel Lauferei damit verbunden sein würde. Und Kamble machte gern mit - gegen einen Anteil von vierzig Prozent. Mit Kamble zusammenzuarbeiten bedeutete aber auch, daß Sartaj in der Delite Dance Bar mit ihm trinken und als Alibi für seine Freundinnen herhalten mußte. Er hatte bereits zwei Tänzerinnen darüber belogen, wo Kamble etwas früher an dem Abend gewesen war. »Es ist immer nur ein Anruf pro Nummer, also werden sich die Betreiber der Telefonkabinen nicht an die Leute erinnern. Aber wir sehen sie uns trotzdem an, erst mal die von den letzten Anrufen. Was ist Ihnen lieber, Westen oder Osten?«
»Westen, Boß.« Kambles hungriger Blick war auf die drei jungen Tänzerinnen gerichtet, die sich auf der Tanzfläche träge zu Gufaon me aaja drehten. Ihre paillettenbesetzten blauen, rosaroten und grünen Ghagras waren prachtvoll, das mußte Sartaj zugeben. Dabei war das Delite noch fast leer, und die Tänzerinnen ließen ihre Reize noch nicht mit vollem Einsatz spielen. Kamble sah aus, als wollte er sie mit allen notwendigen Mitteln auf Trab bringen. Und das würde er zweifellos auch tun.
»Okay«, sagte Sartaj. »Dann nehme ich den Osten. Bis morgen.«
»Are, bleiben Sie doch noch.«
»Ich muß morgen früh raus.«
»Das muß man jeden Tag. Trinken Sie noch einen mit mir.«
»Bin schon am Limit.« Sartaj stand auf.
»Sie brauchen mal wieder Sex, Boß.«
»Mit wem?«
»Mit irgendeiner von denen.«
»Keine Chance.«
»Wieso? Meinen Sie, die mögen Sie nicht? Keine Sorge, Boß, die werden Sie verschlingen.«
»Eben.«
»Zu einfach? Dann nehmen Sie eine, die nichts von Ihnen wissen will. Auf jeden Fall müssen Sie wieder einsteigen, Mr. Singh.«
»So? Warum?«
»Was hat man denn sonst schon?«
In der Tat. Was hatte man sonst schon? Ruhestand, Rückzug? Ma hatte ihre Religion, aber erst nach einem langen Leben mit Papa-ji. Konnte man in jüngeren Jahren aussteigen wie ein Sanyasi, der allem entsagte und sich in die Berge aufmachte? Nein, das war nichts für ihn, das wußte Sartaj. Aber jetzt würde er erst einmal das Delite verlassen. Er war hundemüde und wollte einfach nur nach Hause. Er trank sein Glas aus. »Danke«, sagte er. »Bis morgen dann.«
Kamble war nicht zufrieden, aber er insistierte nicht weiter. »Bis morgen«, sagte er mit seinem breiten Lächeln. »Dann sehen wir weiter.«
Bevor Sartaj schlafen ging, rief er Iffat-bibi an. Sie hatte ihm kurz nach Katekars Tod telefonisch ihr Beileid ausgesprochen. Sie wußte, daß er lange mit Katekar zusammengearbeitet hatte, und sie wußte auch von Katekars Kindern und hatte eine nicht geringe Summe angeboten, um die Familie zu unterstützen. Sartaj hatte abgelehnt, doch seitdem hatten sie oft miteinander telefoniert. Iffat-bibi war clever und lustig und wußte endlose Geschichten von Apradhis und Polizisten früherer Zeiten zu erzählen. Sie lieferte ihm Informationen, gab Gerüchte, Orte und Namen an ihn weiter und
Weitere Kostenlose Bücher