Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
Vom Netzwerk:
ihre Würde achten, sie müsse lernen, stark zu sein, den Jungs eine Mutter zu sein, sie habe außer unserem Abhijaya noch hundert andere Söhne, Hunderte von Söhnen, die ganze Company. Ich sagte ihr, sie müsse innerhalb und außerhalb des Zellentrakts meine Ehre verteidigen. Sie sah jetzt reifer aus - nicht älter, doch unter ihrem immer noch mädchenhaften Gesicht hatte sich Erfahrung abgelagert. Sie schien präsenter, so als hätten sich die schwebenden Partikel des flatterhaften Mädchens, das sie einst gewesen war, zusammengedrängt, wären dichter und stärker geworden, und nun gab es diese Subhadra, die ruhig zuhörte, gute Ratschläge gab und meinen Jungs sagen würde, was sie zu tun hatten. Bunty war mir eine große Stütze, aber Subhadra nicht weniger, und das wußten alle. Die Jungs fanden das selbstverständlich, doch mich hatte sie überrascht - ich, der ich mich doch damit brüstete, nie überrascht zu sein, war von ihr und ihrem Sohn erstaunt, und es machte mir nichts aus, daß diese beiden zarten Wesen mich regelrecht umgeworfen hatten.
    Sie spielten. Subhadra verbarg ihr Gesicht hinter ihren Händen und zeigte es dann wieder, und Abhijaya lachte jedesmal. Ich schaute ihnen zufrieden zu. »Wie geht es denn deinem Magen?« fragte Subhadra hinter ihren Händern hervor. Sie war ein gutes Mädchen. Sie hielt mich schon die ganze Zeit dazu an, körbeweise Pflaumen zu essen, die mich nach ihrer Ansicht von all meinen Beschwerden befreien würden. Ich scherzte mit ihr, wiegte meinen Jungen und war glücklich.
    Wenn meine Frau und mein Sohn gegangen waren, wenn Parulkar von seinen kleinen Aufmerksamkeiten abgelassen hatte, Majid Khan mir seine widerliche Höflichkeit entzog und Salve mit seinem kriecherischen Gehorsam verschwunden war, wenn ich allein in meiner drei Meter langen Zelle auf und ab tigerte, dann quälte mich die Erinnerung an diesen Mistkerl Salim Kaka, der mich einst auf einem Boot mitgenommen hatte, um Gold zu finden. Es war ewig her, daß ich ihn getötet hatte, und ich hatte mir nie Gedanken darüber gemacht, doch jetzt entkam ich ihm nicht. Er war bei mir, in meiner Zelle, ging neben mir her in seinem roten Lungi, machte einen seiner großen Schritte für zwei von mir. Ich hatte ihn erschossen und sein Gold an mich genommen, um mein eigenes Leben in Gang zu bringen - na und? Es war dumm von ihm gewesen, mich hinter sich gehen zu lassen, er hatte nicht genug über mich gewußt, um mir derart vertrauen zu können. Er hatte mir nicht sorgfältig Angst und Treue eingepflanzt, so wie ich es bei meinen Jungs tat. Er war leichtsinnig gewesen, also war er gestorben. Warum erinnerte ich mich jetzt an ihn? Ich wußte es nicht, aber ich mußte immer wieder daran denken, wie er mir das Schießen beigebracht hatte, und seine schmutzigen Witze und unvermittelten Geldgeschenke kamen mir in den Sinn. »Hier hast du einen Hunderter, Bachcha, geh ins Kino, nimm dir eine Frau.« Und das hatte ich dann auch getan. Jetzt brauchte ich kein Geld mehr von Salim Kaka, und doch war er hier.
    Irgendwann war meine Untersuchungshaft vorbei, man hatte offiziell Anklage gegen mich erhoben, und ich wurde ins reguläre Gefängnis überstellt. Mir war ziemlich egal, was mir zur Last gelegt wurde - Mord, Gewährung von Unterschlupf für Kriminelle, Erpressung, Drohungen ich freute mich vor allem, meine Jungs wiederzusehen. Es war die Einzelhaft, dachte ich, die mir die Sinne völlig benebelt und diesen nutzlosen Ansturm von Erinnerungen ausgelöst hatte. In dem Transporter auf der Fahrt in den Knast grinste ich. Majid Khan und die anderen Inspektoren waren verwirrt. »Freuen Sie sich bloß nicht zu sehr«, sagte der Muchchad und verzichtete ausnahmsweise auf seine Vorsicht. »So schnell kommen Sie da nicht mehr raus.« Was er nicht wußte, war, daß ich sehr wohl rauskam, und zwar aus mir selbst. In der Einzelhaft hatte ich mein eigenes Gefängnis so gut kennengelernt, daß ich nun begierig auf die Nähe meiner Jungs war. Die Gefängniswärter und Majid Khan führten mich durch das große rote Tor der Strafanstalt, durch die kleine darin eingelassene Tür. Sie meldeten mich im Gefängnis an, und dann mußte ich lange im Büro des Direktors warten, bis er endlich erschien. Er hieß Advani, hatte etwas von einer drahtigen alten Bandikutratte und hielt mir einen Vortrag über kooperatives Zusammenleben. Meine Jungs seien in Baracke vier, sagte er, die von Suleiman Isa in Baracke zwei. Er verlasse sich darauf, daß ich für

Weitere Kostenlose Bücher