Der Pate von Bombay
Frieden sorgen würde. Es habe in letzter Zeit zuviel Ärger gegeben, zu viele Schlägereien, obwohl er sich sehr bemühe, alte Feinde voneinander fernzuhalten. Wir müssen alle das Beste aus unserer Situation machen, sagte er, und das Beste sei es, in Frieden zu leben.
Ich hörte ihm ruhig zu, pflichtete ihm in allem bei. Trotz der vielen Geschichten, die ich übers Gefängnis gehört hatte, war es eine neue Welt für mich, und bis ich mich besser auskannte, war ich gern bereit, mich mucksmäuschenstill zu verhalten. Advani war sehr mit sich zufrieden, dieser halbkahle Mistkerl glaubte, er habe Ganesh Gaitonde durch die Kraft seiner Persönlichkeit und seine zwingende Logik beeindruckt. »Wenn Sie irgendwelche Probleme haben«, sagte er, »zögern Sie nicht, sich an mich zu wenden.«
»Ja, Direktor-saab«, sagte ich. »Gern.« Er hatte natürlich gehört, daß Parulkar den berühmten Ganesh Gaitonde gebrochen hatte, daß der furchterregende Don in Wirklichkeit nur ein ängstlicher kleiner Straßenköter war, dreckig und vernarbt, der beim ersten Anzeichen irgendwelcher Schwierigkeiten sofort zu ihm gelaufen käme. Ich ertrug seine Herablassung, senkte den Blick und wurde von den Wärtern hinausgeführt. Wir gingen durch drei große, mit Schlitzen versehene Metalltüren in den langen Innenhof, wo die strahlend weißen Baracken standen, jeweils von eigenen Mauern umgeben. Der Direktor-saab habe sie kürzlich neu streichen lassen, erklärte mir einer der Wärter, der Direktor-saab lege großen Wert auf Reinlichkeit. Die Wege waren von weißen Zierleisten gesäumt, und an den Ecken standen Blumentöpfe. Jetzt, am späten Nachmittag, waren die Gefangenen in den Baracken eingesperrt, es befand sich niemand auf den Wegen, in den Höfen zwischen den Baracken oder unter den acht Bäumen, die entlang des Geländes Spalier standen. Doch als wir Baracke zwei passierten, brachen Buhrufe, Gegröle und lauter Spott los. »Bitte, bitte, Parulkar-saab«, riefen sie. »Ich will mir nicht in die Hose machen, Parulkar-saab.« Suleiman Isas Mistkerle hatten die Geschichten gehört. Egal. Ich ging weiter.
In Baracke vier erwarteten mich meine Jungs. Sie hatten eine Blumengirlande aus Gulmohar-Blüten und Neem-Blättern für mich gewunden. Sie durften mir die Girlande umhängen, ich umarmte sie alle, und dann schickte ich sie an die Arbeit. Macht diesen Schweinestall sauber, sagte ich, ihr solltet euch schämen. Sie grinsten und lachten und machten sich ans Werk. Bhai mag keinen Dreck, sagten sie. Sie waren froh, Anweisungen zu bekommen, geführt zu werden. Achtundfünfzig Mitglieder meiner Company saßen hier ein, von insgesamt dreihundertneun Mann in dieser Baracke, die zu den kleineren gehörte und ursprünglich für hundert Mann gedacht gewesen war. Meine Jungs regierten die Baracke, sie hatten den meisten Platz und die besten Betten, organisierten die Spiele und überwachten, was hereinkam und hinausging. Eine kleine Gruppe engagierter Männer, die loyal gegeneinander sind, wird immer über eine große, chaotische Mehrheit herrschen, und nun, da ich da war, hatte sich ihre Macht verzehnfacht. Feiglinge überwältigt man geistig, und die große Masse der Menschen ist immer von Angst erfüllt. Meine Jungs begannen sauberzumachen und Ordnung zu schaffen, und die ganze Baracke schloß sich ihnen unaufgefordert an. Bald war der lange Raum mit den Doppelreihen dünner blauer Daris 150 entlang der beiden Längswände gefegt, sauber und ordentlich. Gegen die an Drähten baumelnden Hemden und die zum Trocknen an der Wand aufgehängte Unterwäsche, die kleinen Stapel mit Papier, Fotos und Zeitschriften konnten wir nichts unternehmen. Trotzdem, so konnte ich hier leben, so trug der Raum meinen Stempel. Die Jungs hatten mir ein Bett am Ende der Baracke gerichtet, am weitesten von der Tür entfernt und somit am sichersten. Ihre Schlafstätten waren um meine herum angeordnet, in mehreren schützenden Ringen, in deren Mitte sie drei neue Daris zu einer Matratze aufeinandergestapelt hatten, mit einem Kissen darauf und einem kleinen Regal, das sie aus Sperrholz vom Bestand der Gefängniswerkstatt gebaut hatten. Sie waren gute Jungs.
Ihre Anführer waren Rajendra Date und Kataruka, die ich beide von Operationen draußen kannte. Sie waren altgediente Scharfschützen, und ich hatte zwar aufgrund der Controllers mit ihren Aktivitäten nicht unmittelbar zu tun, hatte jedoch schon mit ihnen telefoniert und sie belohnt. Beide waren wegen Mordes
Weitere Kostenlose Bücher