Der Pate von Bombay
verurteilt und daher Gefängnisveteranen: Date saß schon fünf Jahre, Kataruka sieben. Aber keiner von beiden war eingeknickt, hatte seinen Controller preisgegeben oder ähnliches, und sie leisteten ehrenvoll ihren Dienst ab. Daher unterstützten wir ihre Familien mit monatlichen Gehaltszahlungen und Gratifikationen, hatten uns um Hochzeiten, Krankenhausrechnungen und Ratenzahlungen gekümmert. Jetzt saßen sie Knie an Knie neben mir und erläuterten mir den Tagesablauf hinter Gittern.
Date übernahm das Reden, von Kataruka mit Kopfnicken und gelegentlichem Grunzen begleitet. »Auf dem Gelände, Bhai, innerhalb der Mauer, gibt es acht Baracken, jede mit einer eigenen, kleineren Mauer drumherum. Die erste Baracke ist für neue Gefangene, die haben Sie übersprungen, Bhai. Das ist die vollste, da sind vielleicht sieben-, achthundert Mann drin. Von dort aus werden die Gefangenen den anderen Baracken zugewiesen. Baracke zwei ist für Suleimans Leute. Nummer drei ist die Baba-Baracke, da sind die kleinen Jungen drin, Kinder. Vier sind wir. In der fünf sind die Alten, die Weißhaarigen. Da ist ein Chutiya dabei, der ist vierundachtzig, Bhai, er hat eines Tages seine Frau umgebracht, konnte plötzlich ihr Schnarchen nicht mehr ertragen. Baracken sechs und sieben sind für die Normalen, die Allerweltsgefangenen. Hinter dem Stacheldraht da drüben ist die acht, für Frauen und Mädchen. Ganz nah, aber da läuft gar nichts.« Er grinste. »Das schöpfen nur die Wärter und Inspektoren aus, diese Maderpats. Aber für alles andere haben wir hier in dieser Baracke Absprachen. Wir können Öl, Tee, Masala, alle möglichen Lebensmittel über die Aufseher bekommen. Wir haben schon dafür gesorgt, daß Sie Tiffins von zu Hause bekommen können und nicht diesen Gefängnisfraß essen müssen. Das müßte in ein oder zwei Tagen losgehen. Falls Sie zwischendurch Hunger kriegen sollten, können wir aus Blechdosen einen Handi 258 machen und Ihnen auf brennendem Kokosöl etwas kochen. Wenn die Polizisten Feuer sehen, geht allerdings ein Riesengebrüll los, und manchmal wird man dafür in Ketten gelegt. Aber uns lassen sie in Ruhe, Bhai, wir können Ihnen jederzeit einen Chai machen. Wenn Sie sonst irgendwas brauchen, sagen Sie uns Bescheid. Die Aufseher in dieser Baracke sind alle Leute von uns, die haben alle lebenslänglich. Und über die Anwälte haben wir mit vielen Richtern die Absprache getroffen, daß wir Gerichtstermine nach Bedarf verschieben lassen können. Manchmal, wenn ein Richter genug bezahlt bekommt, kriegen wir auch im Schnellverfahren eine Freilassung gegen Kaution durch. Natürlich nicht für Sie, Bhai.« Mein Fall war zu gewichtig für ein Schnellverfahren, stand zu sehr im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Das wußten wir alle. »Im Sommer ist es hier heiß, Bhai, und im Winter kalt. Am anderen Ende, in der Nähe von Baracke eins, ist eine Krankenstation, wo es richtige Betten mit Matratzen und Ventilatoren gibt. Gegen einen kleinen Betrag kann man für ein paar Tage eingewiesen werden. Auch das Essen ist dort besser. Wenn Sie wollen, können Sie für einen kleinen Urlaub ins Krankenhaus. Das ist überhaupt kein Problem.«
Ich wollte keinen Urlaub. Ich wollte Suleiman Isa oder ein paar seiner Männer drankriegen. »Diese Scheißkerle in Baracke zwei brauchen eine Abreibung«, sagte ich. »Sie freuen sich, daß ich hier bin. Zeigen wir ihnen, was das bedeutet.«
»Das ist nicht so einfach, Bhai. Wir werden nur noch zu unterschiedlichen Zeiten in den Hof rausgelassen, die und wir. Wenn einer von denen draußen ist, dürfen wir nicht raus, und umgekehrt. Das ist so, seit es letztes Jahr einen Krawall gegeben hat.«
Date und Kataruka waren froh, mich so grimmig zu erleben. Auch sie hatten natürlich das Gerücht gehört, daß ich unter Parulkars Druck zusammengebrochen sei. Sie waren meine Männer, Stützen meiner Company, aber ich war mir sicher, daß durch den schützenden Wall ihrer Treue doch ein Hauch von Zweifel gedrungen war. Es war an der Zeit, wieder Ordnung zu schaffen, die Dinge geradezurücken. Ich befragte sie noch ein wenig über die Abläufe und Gebräuche im Gefängnis, und dann bat ich sie, mich schlafen zu lassen. Es war erst später Nachmittag, noch Stunden bis zum Lichtlöschen um acht. Doch Date und Kataruka sorgten für Stille in der ganzen Baracke, und ich legte mich auf meine Daris, drehte mich auf die rechte Seite, einen Arm über dem Kopf, und sank sofort in dunklen Schlaf. Nachdem
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