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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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Ihr Haar war straff zurückgebunden, das Gesicht vollkommen ungeschminkt. Und sie war immer noch grandios. Sartaj spürte, wie sich Kamble neben ihm anspannte. Welcherlei Vorstellungen man auch über die kollektive Neigung eines Volkes haben mochte, dem überwältigenden Zauber dieses Individuums entkam man nicht, schon gar nicht, wenn man jung und großspurig war und von Kraft nur so strotzte.
    »Kommen Sie«, sagte sie. Sie führte sie in einen anderen weißen Raum, in dem zwei der Wände vom Boden bis zur Decke verglast waren. Sartaj setzte sich auf einen unbegreiflicherweise bequemen Stahlrohrstuhl und hatte das Gefühl, hoch oben über den glitzernden Lichtern und dem fernen Meer zu schweben. Kamble war sehr still, sehr gedämpft. Sartaj dachte, ja, Saala, so leben die Reichen. Eine Bedienstete, eine junge Frau, brachte auf einem Tablett drei Gläser Wasser herein und schloß dann die Tür. Zoya saß in perfekter Haltung und perfekter Beleuchtung da, mit dem Rücken zur Nacht. »Ich glaube«, sagte sie, »daß es kein Video gibt.«
    Sartaj rührte sich nicht. Er hielt den Blick auf sie geheftet, doch er spürte Kambles Zucken. »Hören Sie mal«, sagte er barsch. »Glauben Sie, wir machen Witze?«
    Zoya schüchterte das nicht ein. Sie ordnete den Faltenwurf ihrer Hose. »Nein, ich glaube, Ihnen ist es sehr ernst. Aber ich habe darüber nachgedacht. Wenn es ein Video gäbe, hätten Sie mir ein Stück davon gezeigt, so wie sie es mit den anderen Dokumenten getan haben. Er war nie daran interessiert, uns auf Video aufzunehmen, und ich wußte, was ihm gefiel. Er war mir gegenüber nicht schüchtern, er hätte es mir gesagt, wenn er uns hätte filmen wollen. Und er hätte es nicht mit einer versteckten Kamera getan. Also gibt es kein Video. Es sei denn, Sie machen jetzt gerade eins. Tun Sie das?«
    »Nein.« Sartaj gestattete sich einen kurzen Blick nach rechts: Kamble war sprachlos, schlußendlich doch von Zoya Mirza beeindruckt.
    »Keine versteckten Kameras?« fragte Zoya. »So à la Tehelka 625 ? Sie sind verpflichtet, mir das zu sagen, das wissen Sie.«
    »Nein, wir nehmen nichts auf«, sagte Sartaj. »Und Sie?«
    Sie lachte aus vollem Halse. »So dumm bin ich nicht. Vorhin haben Sie mich überrascht, deshalb habe ich den Fehler gemacht, zuzugeben, daß ich eine Verbindung zu diesem Mann hatte. Aber ich möchte nicht, daß das bekannt wird, und ich möchte Sie mir nicht zu Feinden machen. Was wollen Sie? Geld? Wieviel?«
    Kamble fand endlich die Sprache wieder. »Nein, Madam«, sagte er milde. »Wir wollen kein Geld. Nur ein paar Informationen. Im Rahmen von Ermittlungen zu Gangs. Es hat nichts mit Ihnen zu tun.«
    Kluger Junge, dachte Sartaj. Friede ist sehr viel besser als Krieg, besonders wenn der Gegner auf ungeahnte Ressourcen zurückgreifen kann. »Wir wollen Sie nicht in eine unangenehme Lage bringen, Madam. Aber wir brauchen Hilfe bei unserem Problem.«
    Sie ließ einen Hauch von Verachtung in ihrem Blick durchscheinen. »Seien Sie nicht so höflich. Letztlich sind und bleiben Sie Polizisten, und ich habe keine andere Wahl. Werden Sie mir das Material, das Sie über mich haben, geben, wenn ich mit Ihnen rede?«
    »Ja.«
    »Und gibt es noch mehr?«
    »Nein.«
    Sie glaubte ihm nicht und wollte, daß er es merkte. Doch sie war jetzt bereit zu reden. Sie verschränkte die Arme vor dem Bauch und lehnte sich zurück. »Was wollen Sie wissen?«
    »Wann haben Sie Gaitonde kennengelernt? Und wie?«
    »Das ist sehr lange her. Acht, neun Jahre. Über eine Freundin.«
    »Welche Freundin?«
    »Wissen Sie das nicht?«
    »Möglicherweise schon. Aber ich will es von Ihnen hören.«
    Sie starrte ihn eine Weile unverwandt an, dann gab sie nach. »Jojo«, sagte sie.
    »Okay«, sagte Sartaj. »Welcherart war Ihre Beziehung zu Gaitonde?«
    Sie hielt diese Frage ganz offensichtlich für albern, aber sie hatte begriffen, daß sie auch die auf der Hand liegenden Antworten geben sollte. »Er hat mich finanziell unterstützt. Ich war allein in Bombay.«
    »Und Jojo bekam einen Anteil?«
    »Die beiden hatten ihr eigenes Arrangement. Was er mir gab, war allein unsere Angelegenheit.«
    »Wo haben Sie sich mit ihm getroffen? Wie oft?«
    Zoya hatte ein gutes Gedächtnis und lieferte einen präzisen Bericht. Am Anfang hatte sie ihn etwa einmal im Monat gesehen, immer in Singapur. Sie war dort jedesmal im selben Hotel abgestiegen. Ein Anruf spätabends war ihr Signal, einen Lastenaufzug in die Tiefgarage zu nehmen, wo eine Limousine auf

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