Der Pate von Bombay
diesem Gaandu? Nur wegen der Wohnung und dem Geld?«
»Sie hat versucht, sich von Umesh zu lösen.«
Kamble nahm einen langen, gurgelnden Schluck. »Warum denn, wenn sie ihn liebt?«
»Es gefällt einem nicht immer, in wen man sich verliebt.«
»Ja, das stimmt allerdings.« Die Palmen, unter denen sie im Mondlicht saßen, warfen Schattenflecken auf Kambles breite Wangenknochen. »Ich hatte mal so ein Mädchen, bei der war ich zwei- oder dreimal kurz davor, sie umzubringen.«
»Eine von den Tänzerinnen?«
»Ja, eine Tänzerin aus Rae Bareli. Sie hat mich fast zugrunde gerichtet. Ich war wie ein hirnloser Irrer. Und ich kann Ihnen sagen, die sah unschuldig wie eine Göttin aus.«
»Aber Sie haben sie nicht umgebracht?«
»Nein, ich hab sie ziehen lassen. Und das, nachdem sie sieben Monate lang jede Rupie, die ich verdient habe, ausgegeben hat. Sie und ihre Familie, diese Bhenchods. Das konnten die wirklich gut, mir mein Geld abknöpfen. Manche dieser Mädchen haben das im Blut, dieses Talent, Geld zu machen, die sind so geboren. Genau wie Zoya Mirza. Ich hab das mal nachgeprüft, die Wohnungen auf ihrer Etage kosten einen Crore und achtzig Lakhs.«
»Zum Teil muß das Gaitondes Geld sein.«
»Natürlich. Trotzdem. Einsachtzig. Und beim Film ist sie seit wann, seit drei, vier Jahren? Diese Leute sind absolut erstaunlich.«
»Was für Leute? Die Schauspieler?«
»Are, nein, Yaar. Die Moslems. Das mongolische Reich gibt es nicht mehr, jetzt haben sie Pakistan, aber hier leben sie wie die Könige.«
»Kamble, Saala, sind Sie in letzter Zeit mal im Bengali Bura gewesen? Oder in Behrampada? Diese armen Gaandus leben nicht gerade in Palästen.«
»Aber sie leben hier, oder? Und sie nehmen Land in Besitz, jeden Tag mehr, und ihre Bevölkerung wächst. Und denken Sie mal an all die vielen Khans beim Film, die spielen alle die großen Helden.«
»Vielleicht, weil die Khans gut aussehen? Und gute Schauspieler sind?«
»Ja, Baba, gut aussehen tun sie wirklich. Diese Zoya ist eine echte Chabbis.«
»Und Ihre muslimische Freundin?«
»Die war auch ganz schön sexy, klar. Ich behaupte ja nicht, daß sie als Einzelpersonen nicht schön wären oder daß sie keine guten Menschen sein könnten. Ich weiß, daß Sie mit Majid Khan befreundet sind. Er ist ein guter Mann. Aber als Volk, verstehen Sie ...«
»Was?«
»Sie können mit niemandem im Frieden leben. Sie sind zu aggressiv, zu gefährlich. Für einen Sardar sind Sie denen gegenüber echt zu nachgiebig.«
Sartaj war müde. Es war spät, er war seit sechs Uhr auf, und er hörte diese Argumente schon sein Leben lang. »Ich finde, Sie reden Unsinn und sind selbst ganz schön aggressiv«, sagte er und stand auf. »Außerdem bin ich allen gegenüber nachgiebig.«
Kamble stimmte ihm da gerne zu. »Zu nachgiebig für einen Polizisten.« Er setzte die Flasche an und neigte den Kopf weit nach hinten, dann warf er sie ins Gebüsch. »Jetzt bin ich bereit für Zoya.«
Sie überquerten die Straße und traten durch das riesige schwarz-goldene Eingangstor von Havenhill. Die Wachmänner erwarteten sie schon und winkten sie durch. Havenhill war ein gigantischer pastellrosa Block, der die umliegenden Bungalows um mehr als dreißig Stockwerke überragte. Es war ein Neubau, noch neuer als die Bungalows, die vor etwa zehn Jahren hier in den Sumpf gebaut worden waren. Es war die passende Wohnstätte für einen überragenden Filmstar, dieses Havenhill mit seiner höhlenartigen Eingangshalle aus italienischem Marmor und den Aufzügen aus gebürstetem Stahl. Vom wundersamen Wispern modernster Technik begleitet, sausten Sartaj und Kamble ganz nach oben, und als sie ausstiegen, informierte sie eine mit Akzent sprechende Frauenstimme, daß sie im sechsunddreißigsten Stock angelangt waren. Zoyas Wohnungstür war schlicht, schwarzes Holz hinter einem schwarzen Gitter, doch der Salon dahinter war riesig. Zwei gigantische Kronleuchter hingen über zwei separaten Sitzbereichen, und der lange, glänzende Eßtisch war mit weißen Blumen überladen. Der alte Mann, der sie hereingeführt hatte - Sartaj konnte nicht erkennen, ob er Zoyas Vater oder Onkel oder ein altes Faktotum war -, bat sie, auf einer weißen Couch Platz zu nehmen, und verschwand. Die Gazevorhänge waren weiß. Zoya hatte ganz offensichtlich ein Faible für die Farbe Weiß.
Sie trat barfuß ein, von einer Dschungelprinzessin nun jedoch weit entfernt. Sie trug ein flatterndes weißes Oberteil und eine fließende weiße Hose.
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