Der Pate von Bombay
Freunde, seine Kontakte, seine Geschäfte. Über Sie wollen wir gar nichts wissen.«
»Es sei denn, Sie machen uns Ärger«, sagte Kamble.
»Wir brauchen dringend nähere Informationen über Gaitondes Aktivitäten«, sagte Sartaj. »Wenn wir nichts in Erfahrung bringen können, sind wir gezwungen, unseren Vorgesetzten von Ihrer Verbindung zu ihm zu erzählen. Und das könnte sehr peinlich für Sie werden.« Er holte tief Luft. »Es gibt da eine Videoaufnahme, Madam.«
»Eine Videoaufnahme?« wiederholte sie. Ihre Stimme war sehr tief.
Sartaj spürte Kambles Blick im Nacken, doch er widmete seine Aufmerksamkeit weiterhin unbeirrt Zoya. »Es gibt ein Video von Ihnen. Mit ihm. Wie Sie miteinander zugange sind.«
Sie setzte sich, sank auf den Stuhl, alle Selbstbeherrschung und Anmut waren dahin. Ihre Knie gaben mit einemmal wie Pudding unter ihr nach, und sie saß. Sie war zusammengebrochen, jetzt hatten sie sie. Sartaj schluckte den Geschmack nach altem Klebstoff, den er plötzlich im Mund hatte, hinunter und setzte sich ebenfalls, auf die Sofakante neben Kamble. Zoya hielt den Blick gesenkt, ihre Fußknöchel waren verdreht. Sartaj beugte sich vor. »Das Video ist sehr explizit. Offenbar wußten Sie nicht, daß Sie aufgenommen wurden, und es wurde mit einer versteckten Kamera gefilmt. Man sieht alles, wirklich alles.«
Jetzt versteckte sie ihre Wut nicht mehr. »Wo ist das Band?« fragte sie. »Ich bezahle Sie dafür. Wieviel wollen Sie?« Ihre Verachtung galt nicht nur Ganesh Gaitonde, dem verräterischen Geliebten, sondern auch diesen beiden Polizisten, die das Leben, das sie sich erarbeitet hatte, bedrohten.
»Sie wissen doch, daß wir kein Geld wollen«, sagte Sartaj. »Bloß Informationen.«
»Und dann geben Sie mir das Videoband? Und alles andere auch?«
»Ja, Madam. Alles. Wir haben kein Problem mit Ihnen. Wir wünschen Ihnen Frieden und viele Filme. Wir sind Ihre Fans.«
Seine Inbrunst war Zoya nur ein geringer Trost. Sie funkelte ihn böse an, setzte ihre Füße richtig auf und wurde wieder zum Filmstar. »Nicht hier«, sagte sie. »Meine Kostümbildnerin kommt jeden Augenblick.«
»Ja, Madam. Hier sind zu viele Leute.« Sartaj stand auf. »Nennen Sie uns einen Treffpunkt.«
»Mein Dreh ist um halb zwölf zu Ende. Kommen Sie um zwölf.« Sie gab ihnen eine Adresse, eine Handynummer und verabschiedete sie. »Okay«, sagte sie. »Bitte gehen Sie jetzt.« Sie schloß die Tür fest hinter ihnen.
»Randi«, sagte Kamble. »Miststück. Wir sollten ihr ein bißchen Geld abknöpfen.«
Sartaj reckte sich. Von hier aus sahen sie das Gerüst und die Streben unter den Palastwänden. Das stakelige Gebilde sah im Dämmerlicht merkwürdig schön aus, wie eine Art künstliche Riesenkaktee, die sich an diesem Hang verwurzelt hatte. »Seien Sie nicht so habgierig. Die ganze Sache ist so schon gefährlich genug. Verschwinden wir.«
Vivek war nirgends zu sehen, also verließen sie das Set allein, gingen an der unerklärlich großen Zahl untätiger Arbeiter vorbei. Kamble wartete, bis sie ihre Motorräder erreicht hatten. »Wird es noch gefährlicher«, fragte er dann, »wenn sie herausfindet, daß es gar kein Video gibt?«
»Nein«, sagte Sartaj. »Schließlich hat sie sich bereits kompromittiert, indem sie zugegeben hat, daß so ein Video existieren könnte.«
»Stimmt. Das war eine gute Idee.« Kamble schnallte seinen grünen Helm fest. »Und wenn das alles vorbei ist, wenn keine Gefahr mehr besteht - können wir ihr dann ein bißchen Geld abknöpfen?«
Sartaj trat auf den Kickstarter, ließ den Motor aufheulen und legte dann den Leerlauf ein. »Diese Frau hat Ganesh Gaitonde überlebt, mein Freund. Sie kennen eine Menge Frauen, aber ich bin älter als Sie. Also, hören Sie zu. Wenn sich diese Frau hier zu massiv angegriffen fühlt, wird sie zurückschlagen. Besorgen Sie sich Ihr Geld woanders.«
»Okay, okay, seien Sie nett zu ihr, freunden Sie sich mit ihr an.« Kambles Grinsen war äußerst vielsagend. »Ich kriege mein Geld also nicht. Aber vielleicht kriegen Sie ja etwas anderes von ihr. Wir sehen uns auf der Wache.«
Er ratterte davon, nicht ohne sich zum Abschied noch einmal lachend zu Sartaj umzudrehen. Sartaj legte sich in die Kurve und folgte ihm auf die Straße hinaus. Es war sinnlos, die Unterstellung zurückzuweisen, Zoya war schön, atemberaubend schön. Und Sartaj hatte ihre Schönheit gespürt, wenn auch auf eine ausgesprochen unpersönliche Weise. Es hatten sich weder Hoffnung noch Schmerz
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