Der Pate von Bombay
schlafe, auf dem Balkon gesessen und telefoniert. Ich habe einzelne Gesprächsfetzen mitbekommen, aber es war meistens ziemlich langweilig. An Einzelheiten erinnere ich mich nicht. Ich habe einfach mit geschlossenen Augen dagelegen und an meine Schauspielkarriere gedacht.«
Wahrscheinlich hatte Gaitonde Erpressung, Mord und Totschlag geplant, aber für eine schöne junge Frau, die von Ruhm und Glamour träumte, war das vielleicht langweilig. Sartaj lächelte ermunternd. »Er hat also mit Bunty telefoniert. Mit wem sonst noch? Bitte denken Sie nach, für uns ist alles hilfreich. Auch wenn es nur ein Name ist.«
Zoya setzte sich aus ihrer Gaitonde-Haltung auf. Sie stützte das Kinn in die Hand, ein Bild der Konzentration. »Daran erinnere ich mich kaum. Er hatte immer drei oder vier Handys dabei. Eines war für die Gespräche mit Bunty bestimmt. Ja, richtig, jetzt fällt es mir ein. Er hatte auch noch eins für einen gewissen Kumar, Kumar-saab oder Mr. Kumar.«
»Sehr gut, Madam«, sagte Sartaj. Kamble machte sich auf einem kleinen Block Notizen. »Das ist sehr gut. Mr. Kumar.«
»Ich glaube, es gab auch noch ein paar andere Leute in Bombay, in Nashik. Natürlich hat er oft mit Jojo telefoniert. Manchmal hat er sie auf ein paar Worte an mich weitergereicht. Dann gab es jemanden in London, einen Trived-ji oder so. Und ein paar andere, an die ich mich nicht erinnere. Ein Handy war für seinen Guru reserviert.«
»Gaitonde hatte einen Guru?«
»Ja, mit dem hat er fast genausooft gesprochen wie mit Jojo.«
»Wer war dieser Guru?«
»Das weiß ich nicht. Er hat ihn immer nur Guru-ji genannt.«
»Von wo aus hat der Guru angerufen?«
»Ich weiß nicht, von den verschiedensten Orten. Ich erinnere mich, daß Gaitonde ihm einmal geraten hat, nach Disneyland zu fahren.«
»Nach Disneyland?«
»Disneyland, Disneyworld. Eins von beiden. Und ein andermal war Guru-ji gerade in Deutschland.«
»Worüber haben sie geredet?«
»Spirituelle Dinge. Über die Vergangenheit und die Zukunft. Und über Gott, glaube ich. Gaitonde hat ihn wegen Shaguns 577 und Mahurats zu Rate gezogen, hat ihn gefragt, wann er mit bestimmten Projekten anfangen soll, solche Sachen.«
Gaitonde hatte also einen Guru gehabt. Er war für seine Frömmigkeit berühmt gewesen, für seine vierstündigen Pujas, seine Spenden für religiöse Feste und Pilgerzentren, insofern leuchtete das völlig ein. Natürlich hatte er einen Guru gehabt.
Sartaj ließ Zoya das Ganze noch einmal durchgehen, ihre erste Begegnung mit Jojo, ihre Tage mit Gaitonde und die Nächte, in denen sie vorgab zu schlafen und er telefonierte. Die Details stimmten überein, und es tauchten dieselben Namen auf, Bunty, Suhasini, Arvind. Offenbar hatte Zoya Mirza wirklich allein über diese Treffen in einer Wohnung in Singapur und über Telefonate eine Beziehung zu Gaitonde aufgebaut. Er hatte ihren Aufstieg als Model und dann ihren ersten Film finanziert. In welcher Form genau Zoya von ihren Auslandsreisen profitiert hatte, förderte Sartaj nur allmählich zutage, durch zähes Nachbohren gegen ihren Widerstand. Was andere Leute aus der Filmindustrie betraf, gab sie sich sehr zugeknöpft, aber Sartaj konnte bei aller Höflichkeit gnadenlos sein. Sie war eine würdige Gegnerin, und er hatte keine guten Karten, außerdem hatte sie den Heimvorteil, also ging es ewig hin und her. Doch schließlich hatte er das Gefühl, eine annähernd vollständige Version der Geschichte aus ihr herausgelockt zu haben. Sie schauten einander an, Zoya und er, vollkommen erschöpft.
»Fällt Ihnen noch irgend etwas ein, Madam?« fragte er. »Zu Gaitonde?«
»Was gibt es noch zu sagen?«
»Irgend etwas über den großen Ganesh Gaitonde?«
»Den großen?« Sie zuckte mit den Achseln. »Er war ein kleiner Mann, der versuchte, wie ein großer Held aufzutreten«, sagte sie.
So wie wir alle, dachte Sartaj, und möge uns Vaheguru vor dem Urteil unserer Frauen bewahren. »Okay«, sagte er. »Danke, Madam.«
»Haben Sie die Unterlagen dabei?« Sie stand auf.
Kamble erhob sich ebenfalls, gab ihr den Umschlag und schaute bewundernd zu, wie sie die Blätter und Fotos durchsah. »Sie sind wirklich sehr groß«, sagte er.
»Sind das die Originale?« fragte sie Sartaj.
»Es ist alles, was wir in Jojos Wohnung gefunden haben.«
Das war eine Lüge, und sie wußte es. Doch Sartaj wirkte nun nicht mehr entspannt und entgegenkommend, und im Moment brachte es nichts, sich mit ihm anzulegen. Zoya deponierte den Umschlag auf
Weitere Kostenlose Bücher