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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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sie wartete. Sie verbrachte die Zeit mit Gaitonde in einer Wohnung, die einem seiner Geschäftspartner gehörte, Arvind. Außer ihnen war nur Arvinds Frau Suhasini dort, sonst niemand, nicht einmal Bedienstete. Zoya hatte sich nie in Bombay oder sonstwo in Indien mit Gaitonde getroffen. Die Wohnung war riesig, und Gaitonde und sie hielten sich im oberen Teil auf, im Penthouse. Von Gaitondes Geschäftspartnern kannte sie nur Jojo und Arvind. Nach ihrer Wahl zur Miss India war sie oft beschäftigt gewesen, und ihre Treffen waren seltener geworden. Während der Dreharbeiten zu ihrem ersten Film hatten sie noch häufig telefoniert, danach war auch dieser Kontakt mehr oder weniger eingeschlafen, aber ein paarmal hatte sie ihn schon noch gesehen, doch. Sie hatten ihre Beziehung nie abgebrochen, es hatte keinen Streit, keine Meinungsverschiedenheiten gegeben, sie hatten sich einfach allmählich voneinander entfernt. Gaitonde hatte gegen Ende irgendwie geistesabwesend gewirkt, und dann war er ganz verschwunden. Bis man ihn tot in Mumbai fand, zusammen mit der toten Jojo. Das war alles.
    Sartaj ließ sie die Leute aufzählen, die sie über Gaitonde kennengelernt hatte, doch sie war sich sicher: Es waren nur Jojo, Arvind und Suhasini gewesen. Nicht einmal den Fahrer der Limousine hatte sie je zu Gesicht bekommen. Gaitonde hatte für eine reibungslos funktionierende Logistik gesorgt, alles lief jedesmal genau gleich ab. »Wir mußten die Sache geheimhalten«, sagte Zoya. »Und was Sicherheitsmaßnahmen anging, war er sehr gut.«
    »Über wen hat er geredet? Er muß doch ein paar Namen erwähnt haben.«
    »Er hat nicht mit mir geredet.«
    »Wie kann das sein? Sie haben soviel Zeit miteinander verbracht. Sie waren seine geheime Freundin. Er mochte Sie. Was hat er Ihnen erzählt?«
    »Ich habe es Ihnen doch schon gesagt, nicht viel. Auch ich habe nicht viel geredet. Zuerst, weil ich Angst vor ihm hatte. Dann wurde mir klar, daß er es mochte, wenn ich schwieg, daß es ihm so lieber war. Also war ich still.«
    »Dann müssen Sie viel zugehört haben. Worüber hat er gesprochen?«
    »Wir hatten kaum gemeinsame Themen. Make-up, meine Laufbahn. Filme und das Filmbusineß. Was ich seiner Meinung nach als nächstes tun sollte.« Sie blickte auf ihre Hände hinunter, und unter dem Deckenlicht war ihr Gesicht eine goldene Maske. »Er dachte, er weiß alles. Ich habe oft einfach nur ›ja‹ gesagt und genickt.«
    »Was war er für ein Mensch?«
    »Was erwarten Sie? Er war Ganesh Gaitonde. Er war einfach er selbst.«
    »Madam, Sie kannten ihn. Wirklich. Sie müssen doch ein paar Dinge über ihn wissen, die wir anderen nicht wissen. Ein paar Einzelheiten.«
    »Er hat immer die Rolle des Ganesh Gaitonde gespielt, sogar wenn er allein war. Ich glaube, es machte keinen Unterschied, ob er mit mir allein war oder ob er mit seinen Jungs, seinem Hofstaat, zusammensaß. Diese Stimme, diese ganze Art.« Sie flegelte sich in den Sessel, zog die Schultern hoch, streckte Sartaj eine aggressiv gewölbte Hand entgegen, als wollte sie ihm die Hoden abquetschen. »Ay 037 , Sardar-ji. Sie meinen wohl, Sie können einfach so auf mein Schiff kommen und mich herumschubsen? Wissen Sie, wer ich bin? Ich bin Ganesh Gaitonde.«
    Als sie sich den Namen so bombastisch von der Zunge rollen ließ, brachen Sartaj und Kamble in schallendes Gelächter aus. Sie hatte die Stimme genau getroffen, die Stimme, die Sartaj an jenem fernen Nachmittag vernommen hatte: dröhnende Selbstherrlichkeit, selbst über die scheppernde Gegensprechanlage. »Madam«, sagte Sartaj, »Sie sind wirklich gut.«
    Zoya nahm dieses Kompliment mit einer leichten Neigung des Kopfes als selbstverständlich entgegen. Sie war immer noch Gaitonde. Sie griff nach einem imaginären Telefon, wählte mit dem kleinen Finger. »Are! Bunty, Maderchod! Du sitzt den ganzen Tag in Bombay, schlägst dir den Bauch mit Sahne voll und wirst immer fetter, aber für die Arbeit, die in einer Woche erledigt sein sollte, brauchst du Monate. Was ist mit dem Khoka 337 , das wir diese Woche aus Kilachand hätten kriegen sollen?«
    Sartaj lachte noch einmal anerkennend. »Er hat nut einem Bunty in Bombay gesprochen?«
    »Oft.«
    »Erinnern Sie sich an Einzelheiten?«
    »Nein. Ich habe versucht, nicht zuzuhören. Es ging immer um Geld und darum, mit wem Bunty sich treffen und wen er anrufen sollte. Meistens hat Gaitonde das Geschäftliche unten in Arvinds Wohnung erledigt. Aber manchmal hat er nachts, wenn er dachte, ich

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