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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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Filmindustrie und Öffentlichkeit waren irgendwie zu dem Schluß gekommen, daß sie für das schlappe Dhamaka unseres Films nicht verantwortlich war, und so reihte sie einen Erfolg an den anderen. Unterdessen schrumpften meine anderthalb Zentimeter Zuwachs wieder auf einen Dreiviertelzentimeter zusammen, und selbst diese geringe Zunahme hing davon ab, wie ich das Lineal an meinen Lauda anlegte. Manchmal ertappte ich mich tief in der Nacht bei dem Gedanken, daß ich mir mein Wachstum, den Erfolg von Dr. Rehmes' wissenschaftlicher Methode, womöglich nur eingebildet hatte. Und dann lockte der Abgrund der Verzweiflung. Doch ich hielt stand. Ich dachte an Guru-ji und machte weiter. Aber ich war bedrückt. Manchmal erwachte ich frühmorgens, klappte meinen schwarzen Ordner auf und ging die Rezensionen durch. Die Hindi- und Gujarati-Zeitungen hatten sich noch am ehesten für International Dhamaka erwärmen können, und auch bei den Punjabi-Magazinen sah es nicht übel aus. In der Dainik Samachar war die Musik gelobt worden, und es hieß: »Ein so vielversprechendes Debüt wie das von Zoya Mirza hat es seit Jahren nicht gegeben.« Doch die englischsprachigen Zeitungen und Magazine hatten uns ausnahmslos niedergemacht. Times of India, Indian Express, Outlook - Drecksäcke allesamt. Ich hatte auch die Verrisse aufgehoben und fühlte mich manchmal genötigt, sie zu lesen, selbst die snobistischen englischen. »International Dhamaka ist zu laut, zu lang und zu geistlos, um irgendeine Art von Dhamaka darzustellen«, schrieb die Rezensentin von India Today . Kutiya, Randi. »All die internationalen Einlagen und der hohle Patriotismus erzeugen bloß gähnende Langeweile.« Das war Outlook . Drecksäcke.
    Es gab einen Kritiker, der mich peinigte wie ein Insekt, das sich unter die Haut gebohrt hat, wie ein Aschepartikel in meinen blutunterlaufenen Augen. Er hieß Ranjan Chatterjee und schrieb seit zweiunddreißig Jahren eine wöchentliche Filmbesprechung für den National Observer. In den Zeitschriften wurde er immer als der »altgediente Filmkritiker Ranjan Chatterjee« bezeichnet, und wir bekamen seine geballte Wut und Frustration zu spüren. »Man ist ratlos angesichts dieser arroganten Schludrigkeit«, schrieb er. »Ja, man verzagt.« Ich mußte mir von Manu Tewari erklären lassen, was dieses »man« zu bedeuten hatte, warum Ranjan Chatterjee dieses unpersönliche Pronomen einsetzte. »Vergessen Sie diesen Maderchod, Bhai«, sagte Manu Tewari. »Das ist ein verbitterter alter Knacker, den keiner mehr liest.«
    Außer mir. Ich las die komplette Rezension, und Monate später las ich sie noch einmal. Und dann noch einmal. » International Dhamaka ist noch unglaubhafter als der übliche Bollywood-Film«, schrieb er. »Es ist eine Aneinanderreihung abgegriffener Klischees. Diese Bhais leben in völlig unrealistischem Luxus und fliegen mit einer Selbstverständlichkeit um die Welt, als nähmen sie den Morgenzug nach Nashik. Sie sind gewiefter als James Bond und glatter als Casanova. Man hat die Hoffnung längst aufgegeben, daß das kommerzielle Kino irgend etwas mit Realismus zu tun haben könnte. Aber angesichts des falschen Glanzes von International Dhamaka fragt man sich, ob die Filmemacher jemals einem echten Gangster begegnet sind.«
    Ich ertappte mich dabei, wie ich während Besprechungen an diesen Ranjan Chatterjee dachte, und wenn ich mich morgens aus unruhigem Schlaf hochquälte, ging mir immerzu dieses »man« durch den Kopf. Ich mußte etwas unternehmen. Also gab ich meine Anweisungen. Der runzlige alte Chutiya wohnte in Bandra East, in einem staatlich finanzierten Wohnblock für Journalisten und Schriftsteller. Am Abend des Tages, an dem ich meine Anweisungen erteilt hatte - es war ein Freitag -, kam Ranjan Chatterjee von einer Filmpremiere mit anschließendem Essen, das die Produzenten in der Hoffnung spendiert hatten, ihn auf diese Weise friedlich stimmen zu können. Er ging mit flottem Schritt von der Garage zum Aufzug. Der Mistkerl konnte es bestimmt kaum erwarten, in seine Wohnung zurückzukehren und eine stachelige kleine Girlande gemeiner Schmähungen zu winden, um das gesamte hundertfünfzigköpfige Filmteam am Sonntagmorgen mit seinen Beleidigungen niederzumachen. Er hatte den entsprechenden beschwingten Gang, der alte Sack. Doch er sollte nicht zu seiner Schreibmaschine gelangen: Bunty und vier weitere Jungs erwarteten ihn an der Ecke des Gebäudes. Sie packten ihn unter den Armen und schleiften ihn ans Ende des

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