Der Pate von Bombay
Grundstücks. Er stieß kleine, panische Quiekser aus. Sie stellten ihn an die Mauer, und dann brachen sie ihm beide Beine. Sie hatten eine Brechstange von der Sorte dabei, mit der Straßenarbeiter Stücke aus der Asphaltdecke herausbrechen. Als der erste Schlag knackend auf seinem rechten Oberschenkel landete, sackte Ranjan Chatterjee zusammen und begann zu schreien. In den Fenstern auf dieser Seite des Gebäudes ging Licht an, und die Chowkidars kamen um die Ecke gerannt, blieben jedoch wie angewurzelt stehen, als sie in eine Pistolenmündung schauten. Nach einem zweiten Schlag auf sein anderes Bein schrie Ranjan Chatterjee noch mehr, laut genug, um sämtliche Hausbewohner aufzuwecken. Bunty wartete darauf, daß er aufhörte.
Schließlich ging das Geschrei in ein sabberndes Schluchzen über, und Bunty gab ihm einen leichten Klaps auf die Wange. »Hallo«, sagte Bunty. »Are, hör mir mal zu. Hör gut zu.«
Ranjan Chatterjee hob den Kopf und begann sich zu übergeben. Bunty zuckte angewidert zurück, dann packte er den Dreckskerl an den Haaren und zog seinen Kopf hoch. »Tut es weh?« fragte Bunty. »Sag schon, tut es weh?«
Ranjan Chatterjee blinzelte mit seinen von Tränen erfüllten aufgerissenen Augen und machte schließlich Bunty aus. Er fing an zu wimmern, ein leises Geräusch wie von einem kleinen Kätzchen. »Ja«, sagte er. »Ah, ah, ah. Es tut weh.«
»Gut«, sagte Bunty. »Jetzt weißt du, daß diese Situation realistisch ist. Und daß du einem echten Bhai begegnet bist.«
Er stieß Ranjan Chatterjees Kopf nach unten und ging weg. Er und die Jungs stiegen in ihr wartendes Auto und fuhren davon, ganz unspektakulär und unbehelligt. Im Auto sangen sie alle zusammen die Titelmelodie von International Dhamaka : »Rehne do, yaaron, main door ja raha hoon.« 532 Ich weiß das alles, weil einer der Jungs das Ganze mit einer kleinen Canon-Digitalkamera mit Spotlight gefilmt hatte. Es war erstaunlich, wie differenziert die Aufnahme war, obwohl es nur diese eine, grelle Lichtquelle gegeben hatte, und die Auflösung war besser, als ich sie je auf einem Video gesehen hatte. Ich sah den Rotz aus Ranjan Chatterjees Nasenlöchern laufen, sah seine winzigen Pupillen. Ich erhielt das Band am folgenden Nachmittag, es wurde mir persönlich über Bangkok nach Phuket gebracht. Ich schaute es mir am ersten Abend vierzehnmal an, nahm dann ein chinesisches Mädchen, und nachts schlief ich tief und fest und lang. Ich war entspannt, denn ich hatte mich von Ranjan Chatterjee befreit. Vielleicht gab es im Leben wirklich eine höhere Ordnung, die nur die Erleuchteten sehen konnten. Vielleicht waren die Geschichten, die wir normalen Sterblichen erzählten, nur kleine Lügen, bequeme Erklärungen für Dinge, die wir nicht verstanden. Trotzdem: Ranjan Chatterjee die Beine brechen zu lassen gab mir ein Gefühl der Abrundung, wie Manu Tewari es genannt hätte. Ich hatte es getan und fühlte mich dadurch besser, die Geschichte war abgeschlossen. Ich konnte International Dhamaka hinter mir lassen und mein Leben weiterleben.
Ich sank in den Schlaf wie ein Tiefseetaucher, der eine ruhige Wasserschicht in der sturmgepeitschten See sucht. Nacht für Nacht schlief ich lang, wachte auf, schlief wieder ein. Drei Monate waren vergangen, und ich hatte meine Arbeits- und Trainingsroutine wiederaufgenommen. Ich verdiente Geld, besprach geheimdienstliche Aktionen und Strategien mit Kulkarni, unterhielt mich mit Guru-ji und Jojo, flog zweimal nach Singapur, um mich mit Zoya zu treffen. Und ich schlief und schlief. Ich stellte fest, daß ich nachts neun Stunden Schlaf brauchte statt der bisherigen sechs, und tagsüber legte ich mich zusätzlich mehrmals aufs Ohr. Ich machte es mir auf dem Sofa bequem, zog mich nach dem Mittagessen in mein Schlafzimmer zurück. Einmal legte ich mich sogar beim Surfen im Internet zwischendurch ein Viertelstündchen unter den Schreibtisch. Ich brauchte den Schlaf einfach.
Jojo behauptete, ich sei depressiv, und Guru-ji meinte, ich sei einfach ausgelaugt von dem zusätzlichen Streß der anderthalbjährigen Dreharbeiten. Ob es nun Verzweiflung oder Beklemmung oder etwas völlig anderes war, ich schlief.
An einem Septemberabend - wir ankerten vor Ko Samui -schlief ich auf Deck in meinem am Bug stehenden Sessel ein. Ich hatte Spreadsheets durchgesehen, und plötzlich war ich eingeschlafen. Ich wußte im Schlaf, daß ich schlief. Ich wußte, daß ich auf der Lucky Chance war, auf ruhiger See da-hintrieb, daß der
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